Key Points:
- Wohnungsbestand 2022: Insgesamt rund 43,1 Millionen Wohnungen in Deutschland; +2,5 Mio. bzw. +6 % gegenüber 2011. Davon 17,8 Mio. selbst bewohnt.
- Eigentumsbildung: Zwischen 2018 und 2021 jährlich über 387.000 Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum.
- Fertigstellungen:
- 2023: 294.399 Wohnungen, etwa gleich wie im Vorjahr.
- 2024: 251.900 Wohnungen, deutlicher Rückgang.
- Ein-/Zweifamilienhäuser: –23 % auf 72.000.
- Mehrfamilienhäuser (inkl. Wohnheime): –12 % auf 143.900.
- Leerstand 2022:
- Gesamt: 1,92 Mio. Wohnungen (4,5 % des Bestands).
- Westdeutschland: 1,35 Mio. (4 %).
- Ostdeutschland (ohne Berlin): 536.000 (7,7 %).
- Berlin: 40.681 (2 %).
- Mieten:
- Durchschnittliche Nettokaltmiete 2022: 7,28 €/m².
- Durchschnittliche Bestandsmiete 2024: 7,62 €/m².
- Mietbelastung (bruttokalt): 2022 27,8 % des Nettoeinkommens (2018: 27,2 %).
- Wohnkostenhilfen (Dez. 2023):
- 3,63 Mio. Haushalte erhielten Leistungen für Unterkunft/Heizung.
- 1,03 Mio. Haushalte erhielten Wohngeld.
- Insgesamt profitieren rund 11 % aller privaten Haushalte von staatlicher Unterstützung bei Wohnkosten.
- Wirtschaftliche Bedeutung:
- Private Haushalte gaben 2024 rund 451 Mrd. € für Wohnen aus.
- Bruttowertschöpfung der Branche: 387 Mrd. € (ca. 10 % der gesamten Wirtschaftsleistung).
Der fünfte Bericht der Bundesregierung über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland und der Wohngeld- und Mietenbericht 2024 (BT-Drs. 21/2170) sind mehr als Routine. Sie sind ein Seismograph für den Zustand eines Marktes, der seit Jahren als „soziale Frage des 21. Jahrhunderts“ gilt. Der Befund ist ernüchternd: Trotz Rekordförderungen, steuerlicher Anreize und regulatorischer Eingriffe bleibt die Neubautätigkeit hinter den politischen Zielvorgaben weit zurück, während staatliche Transferleistungen im Wohnsektor exponentiell wachsen.
1. Bauwirtschaft: Stabilisierung auf niedrigem Niveau
Die Jahre 2021 bis 2024 waren durch kumulierte Schocks geprägt: Pandemiebedingte Lieferkettenstörungen, steigende Energiepreise und die Zinswende der Europäischen Zentralbank trafen die Bauwirtschaft mit voller Wucht. Die Baupreise für Wohngebäude stiegen zwischen 2021 und 2022 um über 20 Prozent. Der Markt reagierte mit Zurückhaltung: Die Zahl der Baugenehmigungen fiel 2023 um 26,6 %, 2024 nochmals um 17 %. Zwar blieben die Fertigstellungen mit rund 252.000 Wohnungen im Jahr 2024 stabiler als erwartet – ein Erfolg, der vor allem dem immensen Bauüberhang (760.000 Einheiten) und massiven Förderprogrammen geschuldet ist.
Doch die volkswirtschaftliche Kernfrage bleibt: Stabilisierung ersetzt kein Wachstum. Selbst bei gleichbleibender Bautätigkeit öffnet sich die Lücke zwischen Wohnungsbedarf und -angebot weiter. Die Regierung hatte sich 400.000 neue Wohnungen jährlich vorgenommen – tatsächlich werden kaum zwei Drittel erreicht.
2. Staatsintervention statt Marktvertrauen
Die Bundesregierung setzt auf ein zunehmend dirigistisches Steuerungsmodell. Mit Programmen wie Klimafreundlicher Neubau (KFN), Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment (KNN) oder Wohneigentum für Familien (WEF) wird der Markt durch Subventionen stabilisiert, nicht durch marktwirtschaftliche Dynamik. Diese Programme entfalten kurzfristige Entlastungswirkung, doch sie verschieben das Gleichgewicht zwischen öffentlicher Förderung und privater Initiative immer stärker zugunsten staatlicher Finanzierung.
Auch der „Bund-Länder-Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ bleibt weitgehend ein politisches Symbol, solange Bauvorschriften, Umweltstandards und kommunale Genehmigungsverfahren unverändert komplex bleiben. Für Investoren entsteht ein Unsicherheitsdreieck aus Preisrisiko, Bürokratie und unklarer Förderlogik – keine Basis für nachhaltige Investitionen.
3. Marktfragmentierung: Zwei Deutschland auf dem Wohnungsmarkt
Die Zensusdaten 2022 belegen die Spaltung der Märkte. In Ballungsräumen steigen die Mieten weiter: Wiedervermietungen 2024 bei durchschnittlich 10,92 €/m², Neubauten bei 14,42 €/m². In strukturschwachen Regionen hingegen übersteigen Leerstände teils 7 %. Rund 75 % der Haushalte sind Ein- oder Zweipersonenhaushalte, was die Flächennachfrage pro Kopf erhöht und die Wohnraumnachfrage strukturell verschärft.
Die Eigentümerstruktur ist kleinteilig: Zwei Drittel aller Mietwohnungen befinden sich im Besitz von Privatpersonen, nur ein Drittel bei institutionellen Akteuren. Dies schafft Stabilität, erschwert aber Skalierungseffekte und schnelle Anpassungen an Nachfrageschübe. Die Mietbelastung stieg im Berichtszeitraum auf 27,8 % des Nettoeinkommens; bei Einpersonenhaushalten liegt sie über 32 %.
4. Sozialstaatliche Ausweitung: Wohngeldreform als Symptom
Mit der Wohngeld-Plus-Reform (2023) hat die Bundesregierung den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich erweitert. 1,03 Millionen Haushalte beziehen Wohngeld, 3,6 Millionen erhalten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach SGB II/XII – zusammen rund 11 % aller Privathaushalte. Die durchschnittlichen wohngeldrechtlichen Einkommen stiegen zwischen 2021 und 2023 um 20 %, auch aufgrund des erweiterten Empfängerkreises.
Aus fiskalischer Sicht bedeutet das eine schleichende Sozialisierung der Wohnkosten. Was als soziale Entlastung gedacht ist, wirkt zunehmend wie eine strukturelle Dauersubvention für ein dysfunktionales Marktumfeld. Das Wohngeldsystem reagiert damit weniger auf individuelle Bedürftigkeit als auf gesamtwirtschaftliche Marktverzerrungen – und stabilisiert damit indirekt Preisniveaus, die ohne staatliche Stützung nicht mehr tragfähig wären.
5. Makroökonomische Dimension: Ein volkswirtschaftlicher Riese mit müden Beinen
Die Immobilienwirtschaft generiert 2024 eine Bruttowertschöpfung von 387 Milliarden Euro – fast 10 % der Gesamtwirtschaft. Doch dieser Sektor ist zugleich einer der am stärksten regulierten und abhängigsten von fiskalischer Intervention. Investitionsentscheidungen hängen zunehmend von Förderbedingungen und Zinserwartungen ab. Die jüngste EZB-Zinssenkung wirkt dämpfend, bleibt aber nur dann wirksam, wenn Vertrauen in Planbarkeit und Investitionsrendite zurückkehrt.
6. Fazit: Förderpolitik ersetzt keine Strukturpolitik
Der Bericht der Bundesregierung dokumentiert eine konsequente Stabilisierungspolitik – aber keine Trendwende. Die Zahl der geförderten Wohnungen wächst, die staatlichen Ausgaben steigen, während der Markt selbst weiter stagniert. Die sozialen Instrumente greifen kurzfristig, verschleiern jedoch langfristige Defizite: zu wenig Bauland, zu viel Regulierung, zu wenig Anreize für private Investoren.
Wer den Wohnungsmarkt nachhaltig beleben will, muss das Prinzip der Eigenverantwortung und die Funktion des Preises als Steuerungsmechanismus wieder ernst nehmen. Der Staat kann Nachfrage dämpfen oder soziale Härten ausgleichen – aber er kann auf Dauer keine Angebotslücke von Hunderttausenden Wohnungen pro Jahr durch Subventionen schließen.
Schlussfolgerung:
Die Bundesregierung bilanziert eine „überschaubare“ Krisenwirkung – tatsächlich ist die Krise strukturell. Der Wohnungsmarkt steht nicht vor einem zyklischen Dämpfer, sondern vor einem Paradigmenkonflikt zwischen Marktmechanismus und Staatsintervention. Ein funktionsfähiger Wohnungsmarkt braucht Deregulierung, Planungssicherheit und Vertrauen in privates Kapital – nicht weitere milliardenschwere Kompensationsprogramme.
Quelle: Deutscher Bundestag – Rund 43,1 Millionen Wohnungen in Deutschland