Wurde Deutschland befreit?

Von Niederlage zur Befreiung: Wie sich die deutsche Sicht auf 1945 veränderte

Der 8. Mai 1945 markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Doch war dieser Tag für Deutschland eine Befreiung oder eine Niederlage? Aus amerikanischer oder sowjetischer Sicht ist die Antwort klar: Es war eine Niederlage des nationalsozialistischen Regimes. In Deutschland selbst jedoch hat sich die Wahrnehmung dieses historischen Moments über die Jahrzehnte stark gewandelt – von Scham und Schuld hin zu einer nahezu einheitlichen Sicht als „Tag der Befreiung“. Besonders nach der Wiedervereinigung 1990 trugen linke und kommunistische Kräfte maßgeblich zu dieser Neudefinition bei. Dieser Blogbeitrag beleuchtet, wie es dazu kam.

Eine gespaltene Nachkriegszeit

In der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Perspektive in West- und Ostdeutschland unterschiedlich. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) wurde der 8. Mai oft als schmerzhafte Niederlage empfunden. Die bedingungslose Kapitulation und die Zerstörung des Landes hinterließen ein Gefühl der Schande, wie Theodor Heuss 1949 in seiner Rede als Bundespräsident andeutete. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hingegen wurde der Tag von Anfang an als „Befreiung vom Faschismus“ gefeiert, unterstützt durch die kommunistische Ideologie des Antifaschismus und Denkmäler wie das Sowjetische Ehrenmal in Berlin.

Der Wandel in Westdeutschland

In den 1970er Jahren begann sich die Sicht in Westdeutschland zu ändern. Ein wichtiger Moment war die Rede von Bundespräsident Walter Scheel 1975, der den 8. Mai als Befreiung bezeichnete, wenn auch von außen erzwungen. 1985 setzte Richard von Weizsäcker mit seiner berühmten Rede einen Meilenstein, indem er den Tag als Befreiung für alle vom „unmenschlichen System“ des Nationalsozialismus definierte. Diese Entwicklung wurde durch die 1968er-Bewegung unterstützt, die eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit forderte. Die Nachkriegsgeneration begann, die Verantwortung für die Vergangenheit neu zu bewerten.

Die Wiedervereinigung als Katalysator

Die Wiedervereinigung 1990 markierte einen Wendepunkt. Die ostdeutsche Perspektive, die den 8. Mai als Befreiung betonte, wurde in die gesamtdeutsche Erzählung integriert. Politische Kräfte wie Die Linke, die Wurzeln in der DDR-SED und westdeutschen linken Bewegungen hat, verstärkten diese Sicht. Umfragen zeigen den Wandel: 2005 sahen noch 34 % der Deutschen den Krieg als Niederlage, 2015 waren es nur noch 9 %, während die Mehrheit den 8. Mai als Befreiung betrachtete.

Die Rolle linker und kommunistischer Kräfte

Linke und kommunistische Kräfte spielten eine Schlüsselrolle. In der DDR war die Befreiungsnarrative Teil der Staatsideologie, die den Antifaschismus zentral stellte. In Westdeutschland trugen die 1968er-Proteste dazu bei, die NS-Vergangenheit offener zu diskutieren. Nach 1990 verstärkten linke Parteien und Intellektuelle die Betonung der Befreiung, was die politische Deutung des 8. Mai nachhaltig prägte. Diese Entwicklung ist nicht unumstritten, da einige die Dominanz linker Narrative als Verzerrung der Geschichte kritisieren.

Fazit

Die Veränderung der Wahrnehmung des 8. Mai 1945 von einer Niederlage zu einer Befreiung ist ein komplexer Prozess, der durch gesellschaftliche, politische und historische Entwicklungen vorangetrieben wurde. Die Wiedervereinigung und der Einfluss linker und kommunistischer Kräfte waren entscheidend für diese Neudefinition. Heute ist der „Tag der Befreiung“ in Deutschland weitgehend akzeptiert, bleibt jedoch ein Thema lebhafter Diskussionen über historische Verantwortung und nationale Identität.


Quellen: DW, The Times of Israel, Reuters, Wikipedia

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