Zahlen zu in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Geflüchteten

Kleinen Anfrage „Zahlen zu in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Geflüchteten zum Stand 30. Juni 2025“ (Drucksache 21/1102)

Die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag vom 23. Juli 2025, betitelt „Zahlen zu in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Geflüchteten zum Stand 30. Juni 2025“, zielt darauf ab, umfassende und detaillierte Daten über den aufenthaltsrechtlichen Status, die Herkunft, die Verteilung und die Lebenssituation von Geflüchteten in Deutschland zu erheben. Die Anfrage wird von 17 Abgeordneten unter der Federführung von Clara Bünger eingereicht und ist Teil einer seit 2008 fortlaufenden parlamentarischen Initiative, um die oft schwer zugänglichen Zahlen zu Geflüchteten transparent zu machen.

Hintergrund und Ziel der Anfrage

Die Abgeordneten kritisieren, dass offizielle Asylstatistiken meist nur Zugangs-, Antrags- und Entscheidungsdaten enthalten, während Informationen über den aktuellen Aufenthaltsstatus von Geflüchteten in Deutschland unzureichend verfügbar sind. Um diese Lücke zu schließen, nutzt die Linke regelmäßig das parlamentarische Instrument der Kleinen Anfrage.

Seit 2017 veröffentlicht auch das Statistische Bundesamt auf Basis des Ausländerzentralregisters (AZR) jährlich detaillierte Erhebungen zu „Schutzsuchenden“. Darunter fallen alle Personen, die sich auf humanitäre Gründe berufen – von anerkannten Flüchtlingen über Asylsuchende bis hin zu Geduldeten. Allerdings schließt diese Statistik beispielsweise sogenannte Visa-Overstayer aus, die keinen Asylantrag gestellt haben, auch wenn sie später einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten.

Die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Geflüchteten nach den Berechnungen der Linken entspricht jedoch weitgehend den Zahlen des Statistischen Bundesamts, da beide Quellen auf dem AZR basieren.

Entwicklung der Geflüchtetenzahlen in Deutschland

  • 1997–2011: Die Zahl der Geflüchteten sank von über einer Million auf unter 400.000.
  • Seit 2012: Rückgang gestoppt, Zahlen steigen wieder an.
  • Ende 2020: Etwa 1,9 Millionen Geflüchtete.
  • Ende 2022: Aufgrund der Aufnahme von über einer Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine stieg die Zahl auf rund 3,1 Millionen.
  • Ende 2024: Ca. 3,5 Millionen Geflüchtete in Deutschland, davon etwa 85 % mit geklärtem Schutz- oder Aufenthaltsstatus.

Aufenthaltsstatus der Geflüchteten (Stand Ende 2024)

Die Anfrage bezieht sich auf den Stand 30. Juni 2025, baut aber auf den zuletzt verfügbaren Zahlen (Ende 2024) auf. Die wichtigsten Gruppen im Überblick:

Anerkannte Flüchtlinge (nach Genfer Flüchtlingskonvention):

  • Ca. 750.000 Personen, überwiegend aus Syrien.

Subsidiär Geschützte (§ 25 Abs. 2 AufenthG):

  • 381.000 Personen mit internationalem subsidiärem Schutz.

Nationale Abschiebungshindernisse (§ 25 Abs. 3 AufenthG):

  • 197.000 Personen, viele aus Afghanistan.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (§ 24 AufenthG):

  • Über 1,24 Millionen Personen mit temporärem Schutzstatus.

Bleiberechts- und Aufnahmeregelungen (z. B. §§ 22, 23, 104a, 104c, 18a, 25a, 25b AufenthG):

  • 220.000 Personen.

Langfristig Geduldete (§ 25 Abs. 5 AufenthG):

  • 56.000 Personen.

Humanitäre Aufenthaltstitel (§ 25 Abs. 4 AufenthG):

  • 16.000 Personen.

Härtefallregelung (§ 23a AufenthG):

  • Knapp 10.000 Personen.

Noch nicht anerkannte, geduldete oder asylsuchende Personen:

  • 528.500 Personen (Anstieg von 134.000 im Jahr 2011).

Kritik an der AZR-Datenqualität

Die Abgeordneten weisen auf erhebliche Datenmängel im Ausländerzentralregister (AZR) hin:

  • Die Zahl der ausreisepflichtigen Personen ist statistisch überhöht, da das AZR oft nicht erfasst, ob Personen bereits freiwillig ausgereist oder nicht mehr in Deutschland sind.
  • Beispiele:
  • 2009 wurden 70.000 ausreisepflichtige Personen ohne Duldung erfasst, von denen 40.000 nachträglich als nicht ausreisepflichtig eingestuft wurden.
  • In Hessen waren 2021 mehr als die Hälfte der als ausreisepflichtig erfassten Personen entweder nicht mehr im Land oder gar nicht ausreisepflichtig.
  • Der Eintrag „Fortzug nach unbekannt“ wird nicht zuverlässig als mögliche Ausreise gewertet.
  • Dies führt zu einer verzerrten Darstellung der Ausreisepflicht und beeinflusst politische Debatten über Abschiebungen.

Duldungen: Häufige Gründe, selten Abschiebungshindernisse

Von den 221.000 ausreisepflichtigen Personen Ende 2024 verfügten 178.500 (81 %) über eine Duldung. Die Gründe zeigen, dass Abschiebungen oft faktisch unmöglich oder unerwünscht sind:

  • Medizinische Abschiebungshindernisse
  • Gerichtliche Anordnungen
  • Ausbildung oder Beschäftigung
  • Enge familiäre Bindungen zu Personen mit Aufenthaltsrecht
  • Asylfolgeanträge

Lediglich 9 % der Duldungen wurden nach § 60b AufenthG erteilt, weil den Betroffenen vorgeworfen wird, die Abschiebung vorsätzlich zu behindern (z. B. durch Passverweigerung).

Beendigung der Ausreisepflicht: Freiwillige Ausreise statt Abschiebung

Nach einer Kurzanalyse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind die wichtigsten Gründe für das Ende der Ausreisepflicht:

  1. Freiwillige Ausreise
  2. Erteilung eines Aufenthaltstitels (z. B. durch Chancen-Aufenthaltsrecht, § 104c AufenthG)

Abschiebungen spielen im Vergleich eine untergeordnete Rolle. Die Zahl der freiwilligen Ausreisen übersteigt die Zahl der Abschiebungen seit 2010 jährlich um das Zwei- bis Dreifache.

Ziel der Anfrage: 38 detaillierte Fragen

Die Anfrage enthält 38 sehr spezifische Fragen, die detaillierte Daten zum Stand 30. Juni 2025 verlangen. Die Fragen sind systematisch aufgebaut und decken folgende Bereiche ab:

1. Aufenthaltsstatus nach Rechtsgrundlage

  • Anerkannte Flüchtlinge (§ 3 AsylG)
  • Subsidiärer Schutz (§ 25 Abs. 2 und 3 AufenthG)
  • Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (§ 24 AufenthG), inkl. Fiktionsbescheinigungen
  • Bleiberechtsregelungen (§§ 22, 23, 25a, 25b, 104a-c AufenthG)
  • Humanitäre Aufenthalte (§ 25 Abs. 4, 4a, 4b, 5 AufenthG)
  • Härtefälle (§ 23a AufenthG)
  • Duldungen (§§ 60a–d AufenthG)
  • Niederlassungserlaubnis (§ 26 AufenthG)

2. Demografische und geografische Differenzierung

Für fast alle Gruppen werden Angaben nach:

  • Geschlecht
  • Alter (insbesondere unter/über 18 Jahre)
  • Aufenthaltsdauer (mehr/weniger als 6 Jahre)
  • Bundesländer
  • Herkunftsländer (jeweils die 15 bzw. 10 wichtigsten)

3. Verfahren und Entscheidungen

  • Anzahl der Anerkennungen im ersten Halbjahr 2025 (nach Geschlecht, Herkunft, Verfahrensträger: BAMF oder Gerichte)
  • Widerrufsverfahren beim BAMF (nach Herkunft und Status)
  • Personen mit widerrufenem Flüchtlingsstatus (aktuelle Situation, Herkunft)

4. Asylsuchende und ausreisepflichtige Personen

  • Zahl der abgelehnten Asylsuchenden mit aktuellem Aufenthaltsstatus
  • Aufenthaltsstatus nach Jahr der Ablehnung (vor 2020, 2020–2024)
  • Personen ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder Gestattung
  • Personen, die vom Aufenthaltstitel befreit sind (z. B. EU-Bürger)

5. Datenqualität und AZR-Praxis

  • Kritik an der fehlenden Zuverlässigkeit der AZR-Daten zu Ausreisepflicht
  • Frage nach Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität
  • Praxis der Übermittlung von Asylbescheiden an das AZR nach § 6 Abs. 5 AZRG
  • Kritik an der selektiven Anwendung dieser Regelung nur auf bestimmte Herkunftsländer
  • Unklarheit, warum die Speicherung von Bescheiden die Verfahrensbeschleunigung fördern soll

6. Sicherheits- und Abschiebungspraxis

  • Personen, die nach § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG sicherheitsrechtlich geprüft wurden
  • Personen, die wegen illegaler Einreise/Aufenthalt verurteilt wurden (§ 95 AufenthG)
  • Ausschreibungen zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung
  • Erwerbstätigkeitserlaubnisse für Geduldete und Asylsuchende (nach Bundesländern und Herkunft)

7. Spezielle Gruppen

  • Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Jugendhilfe
  • Jüdische Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
  • Personen mit Ankunftsnachweis (z. B. vorläufiger Schutz)
  • EU-Blaupause (§ 38a AufenthG)

Politische und gesellschaftliche Relevanz

Die Anfrage dient nicht nur der Datensammlung, sondern auch der kritischen Begleitung der Migrations- und Asylpolitik. Sie thematisiert:

  • Die Diskrepanz zwischen politischer Rhetorik („Abschiebungen durchsetzen“) und statistischer Realität (freie Ausreise dominiert).
  • Die Unzuverlässigkeit von Schlüsselzahlen wie der „Ausreisepflicht“.
  • Die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung von Aufenthaltsstatus, statt pauschaler Kategorisierung.
  • Die Lebensrealität von Geduldeten, die oft langfristig in Deutschland leben, aber rechtlich unsicher sind.

Fazit

Die Kleine Anfrage Drucksache 21/1102 ist ein umfassendes und detailliertes Instrument, um die komplexe Situation von Geflüchteten in Deutschland transparent zu machen. Sie dokumentiert die historische Entwicklung, kritisiert Datenmängel und fordert präzise, differenzierte Auskünfte zur aktuellen Lage.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, bis zu 38 detaillierte Fragen mit aktuellen Zahlen zu beantworten – eine Antwort, die Aufschluss über die tatsächliche Größe, Zusammensetzung und Lebenssituation der Geflüchteten in Deutschland geben wird. Die Anfrage unterstreicht die Rolle des Parlaments bei der Aufklärung und Kontrolle der Exekutive in sensiblen gesellschaftspolitischen Fragen.

Die vorliegende Drucksache ist eine Vorabfassung, die durch eine redigierte Version ersetzt wird.


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