Zehn Jahre ohne Wahl? Über eine mögliche Verlängerung der Legislaturperiode der Bundesregierung

Die Bundesregierung wird in der Bundesrepublik Deutschland auf vier Jahre gewählt. Das Grundgesetz sieht mit diesem Zeitrahmen eine Balance zwischen demokratischer Kontrolle und politischer Handlungsfähigkeit vor. Doch ist dieses Modell im 21. Jahrhundert noch angemessen? Immer häufiger wird über eine Verlängerung der Legislaturperiode diskutiert – zuletzt regte eine Bundestagskommission an, fünf Jahre könnten zeitgemäßer sein. Wäre gar eine Legislaturperiode von zehn Jahren denkbar? Ein Gedankenspiel, das nicht nur organisatorische, sondern vor allem demokratische Grundfragen aufwirft.

Die Regierung braucht mehr Zeit – sagen die Befürworter

Die Argumente für eine Verlängerung sind schnell zur Hand: Vier Jahre – das ist, so die häufige Klage aus dem politischen Betrieb – zu wenig, um umfassende Reformen zu planen, durchzusetzen und deren Wirkung zu entfalten. Zwischen Koalitionsverhandlungen, Gesetzgebungsprozessen und dem stets lauernden nächsten Wahlkampf blieben effektiv oft nur zwei produktive Regierungsjahre. Projekte wie die Rentenreform, die Energiewende oder eine grundlegende Bildungsmodernisierung seien in einem solchen Takt kaum verantwortungsvoll zu schultern. Eine zehnjährige Amtszeit würde Raum schaffen für langfristige Planung, strukturelle Eingriffe und politische Sorgfalt, wie man sie in einer komplexen Weltlage eigentlich erwarten müsste.

Zudem, so argumentieren Vertreter marktliberaler Ordnungsmodelle, könnte eine länger amtierende Bundesregierung wirtschaftspolitische Kontinuität gewährleisten. Investitionen in Infrastruktur oder Technologieförderung, internationale Verpflichtungen – all das erfordere Berechenbarkeit in der Gesetzgebung und im politischen Kurs. Wahlen seien teuer, polarisierten die Debatte und lähmten die Handlungsfähigkeit. Eine Legislatur von zehn Jahren, ergänzt um geeignete Kontrollmechanismen im Parlament, könnte die Staatsführung effizienter und mutiger machen.

Demokratische Legitimation erodiert – warnen die Kritiker

Doch so attraktiv die Perspektive längerer Regierungskontinuität klingen mag – sie berührt den Kern des demokratischen Prinzips. Demokratie heißt Herrschaft auf Zeit. Und Zeit, das bedeutet in einer Demokratie: überschaubare Abschnitte, in denen das Volk seine Repräsentanten zur Rechenschaft zieht. Wer die Legislatur auf zehn Jahre ausdehnt, halbiert im Ergebnis die Zahl der Bundestagswahlen, an denen ein Bürger im Laufe seines Lebens teilnehmen kann. In einer sich rasch wandelnden Gesellschaft mit neuen Wählerschichten, technologischen Umbrüchen und geopolitischen Unsicherheiten ist dies nicht nur unklug, sondern gefährlich. Die Bindung zwischen Regierung und Wählerschaft droht zu erodieren.

Hinzu tritt ein institutionelles Risiko. Je länger ein Parlament ohne neue Legitimation wirkt, desto größer wird die Versuchung, Institutionen parteilich zu besetzen, das Wahlrecht im eigenen Interesse zu verändern oder die Kontrolle durch Opposition und Öffentlichkeit auszuhebeln. Historisch zeigt sich, dass lange Legislaturperioden nicht selten Instrumente autoritärer Machtsicherung wurden. Großbritannien hat 1911 den „Septennial Act“ aus dem 18. Jahrhundert – der eine siebenjährige Amtsdauer vorsah – bewusst zurückgenommen, um der Demokratie mehr Vitalität zu verleihen. Frankreich hat die präsidentielle Amtszeit von sieben auf fünf Jahre verkürzt, nicht verlängert.

Verlängern – ja, aber maßvoll

Was also tun? Ein vernünftiger Kompromiss wäre eine moderate Verlängerung auf fünf Jahre – ein Modell, das sich in fast allen deutschen Landesparlamenten längst bewährt hat. Fünf Jahre bieten mehr Zeit für politische Umsetzung, ohne dass der demokratische Charakter der Republik gefährdet wird. Eine Verlängerung auf zehn Jahre hingegen würde nicht nur das Grundgesetz sprengen – sie liefe auf eine faktische Entmachtung des Souveräns hinaus. Wer Demokratie ernst meint, muss Wahlen nicht fürchten. Im Gegenteil: Er sollte sie feiern. Denn die Wahlurne ist nicht das Ende politischer Gestaltung, sondern ihr Anfang.

Fazit

Staatspolitisch kluges Regieren braucht Zeit – zweifellos. Doch noch mehr braucht es Vertrauen. Vertrauen in die Fähigkeit des Wählers, regelmäßig zu entscheiden. Vertrauen in die Stabilität demokratischer Prozesse, die gerade durch ihre zyklische Erneuerung vital bleiben. Eine Legislaturperiode von zehn Jahren wäre ein Bruch mit diesem Grundsatz. Sie würde den Bürger entmündigen, ohne der Republik Stabilität zu garantieren. Wer Verantwortung übernehmen will, muss sich auch regelmäßig verantworten. Das ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern des demokratischen Ethos. Vier Jahre sind vielleicht knapp bemessen. Zehn Jahre jedoch wären eine Ewigkeit – und ein Irrweg.


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