Zögerliche Rückkehrpolitik trotz Regimewechsel in Syrien: Bundesregierung hält an individueller Schutzprüfung fest

Die Drucksache 21/689 des Deutschen Bundestages enthält die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zur deutschen Asylpolitik gegenüber syrischen Staatsangehörigen nach dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024. Die Fragesteller stellen die Notwendigkeit eines grundlegenden Richtungswechsels in der Asylpolitik gegenüber Syrern zur Diskussion, gestützt auf die Annahme, dass mit dem Machtverlust Assads keine Schutzgründe mehr bestünden.

Zentrale Inhalte und Positionen:

1. Politische Lage in Syrien:
Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat sich eine neue Regierung gebildet, die zur Rückkehr geflüchteter Syrer aufruft. Sanktionen durch die EU und USA wurden aufgehoben, Deutschland hat seine Botschaft wieder eröffnet. Die Bundesregierung verweist jedoch auf eine weiterhin volatile Sicherheitslage und prüft individuelle Asylentscheidungen weiterhin im Einzelfall.

2. Aussetzung und Wiederaufnahme von Asylentscheidungen:
Das BAMF hatte zunächst sämtliche Sachentscheidungen über syrische Asylanträge ausgesetzt. Seit kurzem werden wieder Anhörungen durchgeführt, jedoch erfolgen materielle Entscheidungen weiterhin nur in Einzelfällen. Von Januar bis Mai 2025 wurden 99,6 % der Asylentscheidungen syrischer Antragsteller als formelle Entscheidungen im Rahmen der Dublin-Verordnung getroffen – also ohne Prüfung der Fluchtgründe.

3. Widerruf von Schutzgewährungen:
Laut Asylgesetz sind Widerrufsverfahren durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des Schutzes nicht mehr vorliegen. Die Bundesregierung erklärt, dass Widerrufsprüfungen insbesondere bei Straftätern und Gefährdern eingeleitet wurden (3.537 Verfahren von Januar bis Mai 2025), allerdings wurden nur in 57 Fällen die Flüchtlingseigenschaft und in 22 Fällen der subsidiäre Schutz widerrufen.

4. Rückkehr und Abschiebungen:
Ein Programm zur freiwilligen Rückkehr wurde aufgelegt. Bis Ende Mai 2025 stellten 1.208 Syrer Anträge auf geförderte Rückkehr; 804 Personen reisten aus. Die Bundesregierung plant zudem Rückführungen zunächst von Straftätern und Gefährdern, verweist jedoch auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

5. Aufenthalt und Sozialleistungen:
Zum 31. Mai 2025 lebten rund 961.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland, davon hatten etwa 676.000 ein befristetes Aufenthaltsrecht. Über 508.000 erhielten im Februar 2025 Bürgergeld. Weitere Sozialleistungen wurden durch mehr als 100.000 Personen bezogen.

6. Einbürgerung und Familiennachzug:
Zahlen zur Einbürgerung für 2025 liegen noch nicht vor. Einbürgerungsanträge werden seit Mitte 2024 statistisch erfasst, jedoch noch nicht ausgewertet. Daten zum Familiennachzug von Syrern werden nicht zentral erfasst.

7. Informationspolitik zur Rückkehr:
Die Bundesregierung verweist auf mehrsprachige Informationsportale, Merkblätter und Beratungsstellen zur freiwilligen Rückkehr. Ein besonderes Augenmerk liegt auf einer frühzeitigen Information während und nach Abschluss von Asylverfahren.

8. Juristische Einschätzungen:
Gerichte wie das VG Karlsruhe und das OVG Münster haben entschieden, dass keine flächendeckende Bürgerkriegsgefahr mehr besteht. Dennoch beharrt die Bundesregierung auf eine individuelle Prüfung jeder Asylakte.

Kritische Bewertung:
Die Bundesregierung zeigt sich zurückhaltend in der Anpassung ihrer Syrien-Politik an die neuen geopolitischen Verhältnisse. Trotz der politischen Wende in Damaskus und der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen erfolgt keine pauschale Neubewertung des Schutzstatus syrischer Flüchtlinge. Die Argumentation, dass weiterhin eine individuelle Prüfung erforderlich sei, wirkt auf Kritiker wie eine Verzögerungstaktik, um migrationspolitisch heikle Entscheidungen hinauszuschieben. Auch dass über 99 % der Entscheidungen formal getroffen werden, lässt Zweifel an der faktischen Bereitschaft zur materiellen Prüfung aufkommen. Die niedrige Zahl realisierter Rückführungen und Widerrufe verweist auf strukturelle Defizite bei der Umsetzung bestehender rechtlicher Möglichkeiten. Die Bundesregierung agiert – trotz erkennbarer Kooperationsbereitschaft der neuen syrischen Regierung – äußerst zögerlich und riskiert damit, das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und Steuerungsfähigkeit der Asylpolitik weiter zu untergraben. Die Abhängigkeit von föderalen Strukturen (z. B. bei Abschiebungen) wird in der Antwort betont, verdeckt jedoch nicht, dass ein klarer politischer Wille zu konsequenter Rückführungspolitik nur schwach ausgeprägt ist.


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