Es gibt Entscheidungen, die klingen im ersten Moment modern und praktisch. Und dann schaut man genauer hin und merkt, dass sie einen schalen Beigeschmack haben. Genau so fühlt sich das Bargeldverbot am Weihnachtsmarkt im Zürcher Hauptbahnhof an. Offiziell geht es um Sicherheit und Komfort. Inoffiziell geht es ziemlich offensichtlich auch darum, dass kein Umsatz mehr an den Organisatoren vorbeigeht und alles sauber durch die Kartenleser läuft. Das wird zwar nicht laut gesagt, aber die Richtung ist klar. Und diese Entwicklung betrifft nicht nur diesen Markt, sondern sie zeigt, wohin es in Zukunft mit öffentlichen Räumen generell gehen könnte.
Man muss sich das einmal vorstellen. Ein Weihnachtsmarkt lebt von spontanen Begegnungen und von Menschen, die ein paar Münzen aus der Tasche kramen, um sich einen Punsch oder eine Marroni zu gönnen. Diese Atmosphäre wird ersetzt durch Geräte, die jeden Rappen elektronisch erfassen. Es geht nicht mehr nur darum, dass etwas gekauft wird. Es geht darum, dass jede Transaktion nachverfolgbar ist. Und das soll man einfach hinnehmen. Für viele Standbetreiber ist das ein Schlag ins Gesicht. Rund die Hälfte ihres Umsatzes machen sie bisher in bar. Manche sogar noch mehr. Wenn dieser Teil plötzlich wegfällt, dann fehlt nicht nur Geld. Es fehlt ein Stück ihrer wirtschaftlichen Freiheit.
Man kann nicht ignorieren, dass digitale Zahlungen einen bequemen Nutzen haben. Das ist unbestritten. Aber Bequemlichkeit darf nicht zur Ausrede werden, um ein System zu etablieren, das am Ende auf Kontrolle hinausläuft. Wenn man heute sagt, es sei nur für einen Weihnachtsmarkt, sagt man morgen vielleicht, dass Restaurants im Bahnhof gleich mitziehen sollen. Und übermorgen vielleicht alle offenen Plätze am See. Das klingt übertrieben. Aber solche Umstellungen passieren selten plötzlich. Sie passieren Stück für Stück und so leise, dass man gar nicht merkt, wie sich das gewohnte Leben verändert.
Dazu kommt noch ein ganz anderer Punkt. Wenn Bargeld verschwindet, verschwindet auch die Möglichkeit, dass Menschen unabhängig von Systemen zahlen können. Was ist, wenn das Terminal ausfällt. Was ist, wenn das Handy spinnt oder der Akku leer ist. Was ist mit älteren Menschen, die kein Smartphone haben. Was ist mit Jugendlichen, die sich ein warmes Getränk kaufen möchten und noch keine eigene Karte besitzen. All diese Fragen werden übergangen. Ein Markt für die ganze Bevölkerung wird zu einem Markt für jene, die technisch mithalten können.
Noch schwieriger wird es für die kleinen Betriebe. Sie zahlen Miete für den Stand und zusätzlich ein Stück ihres Umsatzes. Und wenn alles bargeldlos läuft, wissen die Veranstalter genau, wie viel jeder Stand einnimmt. Da kann niemand mehr etwas nebenbei verdienen. Viele würden sagen, das sei gut so. Aber es zeigt auch, dass es nicht nur um Sicherheit geht. Es geht darum, möglichst jeden Rappen einzukassieren. Die öffentliche Erklärung klingt nett. Die Realität wirkt deutlich nüchterner.
Der Weihnachtsmarkt am HB ist nicht irgendein Markt. Er ist ein Symbol. Wenn hier etwas verändert wird, schauen viele andere hin. Und genau deshalb sollte man nicht schweigend zusehen. Es ist wichtig, offen zu sagen, dass Bargeld ein Stück Freiheit bedeutet. Es ist wichtig, klar zu machen, dass man nicht jede Entscheidung akzeptieren muss, nur weil sie unter dem Etikett der Modernisierung verkauft wird. Fortschritt ist gut. Aber ein Fortschritt, der Freiheiten abbaut und die Menschen abhängig macht, ist keiner.
Man muss kein Technikgegner sein, um zu erkennen, dass diese Entwicklung Fragen aufwirft, die weit über einen weihnachtlichen Marktstand hinausgehen. Wer jetzt sagt, es sei egal, wird später merken, dass solche Regeln nicht mehr so leicht rückgängig zu machen sind. Und deshalb ist es notwendig, diese Veränderungen nicht einfach hinzunehmen, sondern kritisch zu begleiten.
