Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Warum Stromsteuersenkung und Klimageld zum Lackmustest der marktwirtschaftlichen Klimapolitik werden

Die deutsche Klimapolitik steht vor einem doppelten Glaubwürdigkeitsproblem – verursacht durch politisches Zögern, haushaltspolitische Dogmen und ein strukturelles Missverhältnis zwischen fiskalischem Zugriff und liberaler Ordnungspolitik. Zwei zentrale Stellschrauben, mit denen Bürger und Unternehmen gleichermaßen entlastet werden sollten, geraten dabei zum Prüfstein: die versprochene Stromsteuersenkung und das längst überfällige Klimageld.

Der Fall Stromsteuer: Gescheitertes Entlastungsversprechen

Als die schwarz-rote Bundesregierung im April 2025 mit großem Pomp eine dauerhafte Absenkung der Stromsteuer auf den EU-Mindestwert von 0,05 Cent pro Kilowattstunde ankündigte, war dies mehr als eine symbolische Maßnahme. Es war das politische Bekenntnis, Strom als klimafreundlichsten Energieträger zu stärken und die überproportionale Belastung von Haushalten und Mittelstand zu korrigieren. Strom ist längst nicht mehr das Problem, sondern Teil der Lösung – insbesondere in Zeiten von Wärmepumpe, Elektromobilität und Industrieelektrifizierung.

Doch aus dem „Entlastungspaket“ wurde ein haushaltspolitischer Rohrkrepierer. Finanzminister Carsten Linnemann ließ das Vorhaben Anfang Juli 2025 auflaufen: Kein Spielraum, kein Beschluss, kein Cent weniger auf der Stromrechnung für Privathaushalte. Dabei hätte eine Absenkung auf das EU-Mindestmaß gerade einkommensschwache Haushalte entlastet – nicht als Gießkanne, sondern als Rücknahme einer systemischen Überlastung. In einer marktwirtschaftlich orientierten Steuerpolitik ist eine solche Reform kein Geschenk, sondern eine Korrektur ordnungspolitischer Schieflagen. Sie bleibt nun aus, obwohl sich der deutsche Staat allein 2024 über fast drei Milliarden Euro Stromsteuer freuen konnte – auf Kosten seiner Bürger.

Das Klimageld: Sozialer Anker ohne Ankerpunkt

Noch gravierender ist der Stillstand beim Klimageld – jenem Instrument, das die ökologische Transformation sozial flankieren sollte. Bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung 2021 als „pro-Kopf-Rückerstattung der CO₂-Einnahmen“ angekündigt, ist bis heute kein einziger Euro ausgezahlt worden. Dabei ist der Mechanismus längst technisch vorbereitet, die Steuer-ID als Verknüpfungsgrundlage gesetzlich etabliert. Was fehlt, ist politischer Wille.

Gleichzeitig steigen die Belastungen für Verbraucher rasant. Ab 2027 wird mit dem Start des europäischen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (ETS 2) der CO₂-Preis voraussichtlich auf über 90 Euro pro Tonne schnellen – mit unmittelbaren Folgen für Benzin, Heizöl und Gas. Familienhaushalte müssen mit Mehrkosten von mehreren Hundert Euro jährlich rechnen, ohne dass irgendeine Rückvergütung erfolgt. Das Klimageld, einst als fairer Ausgleich gedacht, verkommt so zur symbolpolitischen Leerformel.

Dabei wäre es ökonomisch und ordnungspolitisch die ideale Antwort auf steigende Klimakosten: Ein hoher CO₂-Preis lenkt Verhalten effizient, eine pauschale Rückzahlung schützt vor sozialer Schieflage. Die marktwirtschaftliche Logik des „pay-and-repay“ – zahlen, aber anteilig zurückbekommen – wird allerdings durchbrochen, wenn der Staat die Einnahmen lieber für andere Zwecke verplant. Dass daraus ein wachsendes Akzeptanzdefizit entsteht, ist absehbar. Und es birgt erheblichen politischen Sprengstoff.

Zwischen Vertrauensverlust und politischer Kurskorrektur

Die Regierung Friedrich Merz steht nun vor einer Weggabelung. Will sie die Energiepreisdebatte nicht an populistische Kräfte verlieren, muss sie marktwirtschaftliche Prinzipien in der Klimapolitik nicht nur verkünden, sondern durchsetzen. Dazu gehört erstens, die Stromsteuer dauerhaft und für alle zu senken – als Teil einer klimapolitisch kohärenten Preissetzung. Und zweitens, das Klimageld spätestens 2026 verbindlich und dauerhaft einzuführen – nicht als Resteverwertung von Haushaltsüberschüssen, sondern als strukturelle Rückvergütung mit verfassungsrechtlicher Legitimität.

Beide Instrumente verfolgen dasselbe Ziel: Die Energiewende ökonomisch effizient und sozial tragfähig zu gestalten. Ihr gemeinsames Scheitern wäre nicht nur ein Rückschlag für das Vertrauen in die Politik, sondern auch ein Bruch mit der ordnungspolitischen Vernunft, auf der jede marktwirtschaftliche Klimastrategie beruhen muss. Zwischen ideologischem Dirigismus und fiskalischer Verweigerung liegt ein schmaler Grat – und die Bürger werden nicht länger bereit sein, die Kosten einer ambitionierten Klimapolitik zu tragen, ohne einen fairen Anteil zurückzubekommen.

Kurzum: Ohne Stromsteuersenkung und Klimageld bleibt die Energiewende nicht nur teuer – sie wird auch politisch brüchig. Ein Umsteuern ist ökonomisch geboten und politisch überfällig.


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