Die Finanzmärkte stehen erneut unter Strom. Nach deutlichen Kursverlusten bei mehreren US-Regionalbanken wächst die Sorge vor einem Dominoeffekt, der an die Schockwellen von 2008 erinnert. Während deutsche Banktitel unter Druck geraten und der DAX unter die Marke von 24.000 Punkten fällt, versuchen Analysten und Ökonomen, die Dimension der aktuellen Turbulenzen einzuordnen. Der Blick geht dabei über die USA hinaus – bis nach Frankfurt, Peking und Schanghai.
Regionale Banken als Schwachstelle des Systems
Auslöser der jüngsten Marktturbulenzen sind Kreditausfälle bei US-Unternehmen wie Canter Group, First Brands und Tricolor. Mehrere Institute mussten Verluste einräumen, was das Vertrauen der Investoren erschüttert hat. Besonders anfällig zeigt sich das Segment der Regionalbanken, deren Geschäftsmodell stark auf Unternehmenskredite in strukturschwachen Regionen ausgerichtet ist. Der Chefökonom der Braunschweiger Privatbank, Darius Montaser, zieht Parallelen zur Subprime-Krise: Viele dieser Kredite seien nur unzureichend besichert und mehrfach weiterverkauft worden. „Wenn diese Forderungen ausfallen, entsteht ein Dominoeffekt, der sich durch das gesamte Finanzsystem zieht“, warnt Montaser.
Emotionen statt Fundamentaldaten
Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baderbank, sieht die Lage weniger dramatisch. Zwar gebe es strukturelle Risiken – insbesondere im kaum regulierten Schattenbankensektor –, doch die Situation sei nicht mit 2008 vergleichbar. „Was wir derzeit erleben, ist ein kollektives Déjà-vu. Die Märkte reagieren emotional auf Nachrichten, die an alte Krisen erinnern“, so Halver. Entscheidend sei, dass die US-Notenbank inzwischen als „Vollkaskoversicherung“ fungiere: Sie greife ein, bevor Liquiditätsprobleme zu systemischen Schocks führen könnten.
Schattenbanken als blinder Fleck der Aufsicht
Halver warnt dennoch vor Selbstzufriedenheit. Während klassische Banken seit der Finanzkrise strenger reguliert sind, agieren sogenannte Schattenbanken – Fonds, Versicherer, Private-Credit-Anbieter – weitgehend unbeaufsichtigt. „Das eigentliche Risiko liegt im Verborgenen“, sagt er. Sollten hier größere Ausfälle auftreten, könnten Verflechtungen mit dem traditionellen Bankensektor unvorhersehbare Kettenreaktionen auslösen.
Geopolitik als zusätzlicher Belastungsfaktor
Parallel zu den Bankenproblemen eskaliert der Handelskonflikt zwischen den USA und China erneut. Peking reagiert mit Exportbeschränkungen bei seltenen Erden, Washington mit Zöllen und politischen Drohgebärden. Montaser sieht darin „einen politischen Machtkampf zwischen zwei Hegemonen“. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind bereits spürbar: steigende Unsicherheit, Zurückhaltung bei Investitionen, wachsender Druck auf exportorientierte Branchen – auch in Europa.
Zwischen Blasenangst und Bodenhaftung
Am Aktienmarkt mischen sich weitere Spannungsfelder hinzu: eine mögliche Überbewertung im KI-Sektor, eine überfällige Korrektur an den Technologiebörsen und die Furcht vor globalem Wachstumsstillstand. Halver räumt ein, dass es eine „gesunde Bereinigung“ geben müsse, betont aber zugleich: „Heute ist die Qualität der großen KI-Unternehmen deutlich besser als zur Zeit der Internetblase.“ Die Unternehmen seien profitabel und nicht allein kreditgetrieben.
Fazit: Eine fragile, aber keine fatale Lage
Die Angst vor einer neuen Bankenkrise ist real – aber vorerst eine Frage der Psychologie. Die strukturellen Risiken im US-Bankensektor sind vorhanden, doch das Finanzsystem verfügt über wirksame Puffer. Anders als 2008 reagieren die Notenbanken frühzeitig, und auch die Banken selbst halten mehr Eigenkapital vor. Was bleibt, ist eine fragile Balance: Ein Markt, der auf hohen Risiken segelt – aber mit funktionierendem Airbag.