Die Falle der doppelten Rendite
Der ETF-Markt erlebt einen neuen Hype: Mit Produkten wie dem geplanten Amundi MSCI World x2 ETF wird Anlegern das Versprechen schmackhaft gemacht, die Rendite des Weltindex einfach zu verdoppeln. Was nach einem Turbo fürs Depot klingt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als komplexes, teures und hochriskantes Finanzinstrument.
Der Lockruf der Hebelwirkung
Das Prinzip klingt simpel: Ein zweifach gehebelter ETF verdoppelt die tägliche Bewegung seines Basisindex. Steigt der MSCI World um zwei Prozent, legt der ETF um vier Prozent zu – fällt der Index, verdoppelt sich auch der Verlust. Diese tägliche Neuberechnung ist der entscheidende Mechanismus: Kurzfristig funktioniert die Verdopplung präzise, langfristig führt sie jedoch zu gravierenden Abweichungen.
Die „Amumbo“-Euphorie als Blaupause
Der Ursprung des aktuellen Hypes liegt im Amundi MSCI USA x2 ETF, von Anlegern liebevoll „Amumbo“ genannt. Seit 2014 brachte er eine Rendite von über +1200 Prozent, während der ungehebelte US-ETF „nur“ +384 Prozent erzielte. Eine Outperformance, die Kultstatus erlangte. Doch diese Zahlen sind ein Kind ihrer Zeit: Sie entstanden in einem Umfeld mit historisch niedrigen Zinsen, kontinuierlich steigenden Aktienmärkten und begrenzten Krisen. Ob sich ein solches Erfolgsrezept wiederholen lässt, ist fraglich.
Simulation statt Realität: Der Blick auf den MSCI World
Da der geplante MSCI World x2 ETF noch nicht am Markt ist, wurden Langzeitsimulationen erstellt. Das Ergebnis über den Zeitraum 2001 bis Anfang 2025: Während der Standard-ETF rund 5,9 Prozent p.a. erwirtschaftete, kam die gehebelte Variante auf 7,9 Prozent. Der Wert einer Investition von 10.000 Euro hätte sich auf rund 65.000 Euro vermehrt – deutlich mehr als beim Standard-ETF (40.800 Euro), aber weit entfernt von den 80.000 Euro, die eine einfache Verdopplung der Rendite erwarten ließe.
Die wahren Renditebremsen
Zwei Faktoren erklären die „Renditelücke“:
- Kostenexplosion: Neben der TER von etwa 0,6 Prozent fallen Finanzierungskosten für die Hebelwirkung an. Diese lagen im langjährigen Schnitt bei knapp zwei Prozent, sind seit der Zinswende jedoch auf über vier Prozent gestiegen. Zusammen ergibt das fast fünf Prozent jährliche Kosten – eine Hürde, die erst überwunden werden muss, bevor der Anleger überhaupt ins Plus kommt.
- Volatility Drag: In schwankenden Märkten führen tägliche Neugewichtungen zu mathematisch bedingten Verlusten. Selbst wenn der Index nach zwei Tagen wieder auf demselben Stand notiert, liegt der gehebelte ETF im Minus. In volatilen Seitwärtsphasen frisst dieser Effekt die Rendite systematisch auf.
Das unterschätzte Risiko
Die Kehrseite des Hebels zeigt sich in Krisenzeiten brutal: In der Finanzkrise 2007/08 hätte ein gehebelter MSCI World ETF einen maximalen Verlust von 83 Prozent verbucht – ein fast vollständiger Kahlschlag. Solche Einbrüche sind nicht nur ein finanzielles Risiko, sondern auch eine psychologische Zerreißprobe. Die Vorstellung, ein Anleger könne einen derart dramatischen Verlust einfach aussitzen, widerspricht der Realität menschlichen Verhaltens.
Für wen eignet sich ein Hebel-ETF überhaupt?
Die nüchterne Schlussfolgerung aus den Analysen ist eindeutig: Gehebelte ETFs sind keine Instrumente für die breite Masse. Sie eignen sich nicht für den langfristigen Vermögensaufbau und schon gar nicht für die Altersvorsorge. Ihr Einsatz kann allenfalls taktisch erfolgen – in kurzen Marktphasen, von erfahrenen Anlegern mit hoher Risikotoleranz und der Bereitschaft, auch einen Totalausfall zu verkraften.
Fazit
Der Traum von der doppelten Rendite entpuppt sich als Illusion. Hohe Finanzierungskosten, der mathematische „Volatility Drag“ und extreme Verlustrisiken machen zweifach gehebelte ETFs zu einem Spiel mit hohem Einsatz. Wer in diese Produkte investiert, sollte sich der Risiken bewusst sein und sie nicht mit klassischen Indexfonds verwechseln. Der „Heilige Amumbo“ war eine Ausnahmeerscheinung in einem historisch einmaligen Umfeld – eine Blaupause für die Zukunft ist er nicht.