ETFs gelten als unkompliziertes, flexibles Anlageinstrument. Mit wenigen Klicks lassen sie sich kaufen und ebenso schnell wieder verkaufen. Diese Flexibilität ist ein großer Vorteil – aber zugleich eine Gefahr. Denn wer unüberlegt handelt, riskiert unnötige Steuern, Verluste oder Gebühren. Ein ETF-Verkauf sollte daher wohlüberlegt sein.
1. Verkauf bei Zielerreichung
Wer sein finanzielles Ziel erreicht hat – etwa ein bestimmtes Kapitalpolster oder die Möglichkeit, von den Erträgen zu leben – hat einen legitimen Grund zu verkaufen.
- Wichtig: Nicht alles auf einmal veräußern. Besser ist eine schrittweise Entnahme (z. B. durch einen Entnahmeplan), sodass der Rest des Vermögens weiter Rendite erwirtschaftet.
- Risiko: Ohne klare Entnahmestrategie (z. B. die „4 %-Regel“ oder dynamische Modelle) droht das Kapital in ungünstigen Marktphasen zu schnell aufzubrauchen.
- Tipp: Prüfen, ob in der Entnahmephase zunächst risikoärmere Assets liquidiert werden können, während Aktienanlagen weiterlaufen.
2. Rebalancing und Gewinnmitnahmen
Portfolios verschieben sich im Zeitverlauf, weil sich Anlageklassen unterschiedlich entwickeln. Rebalancing sorgt dafür, dass die gewünschte Risikostruktur erhalten bleibt.
- Vorteil: Disziplinierte Risikosteuerung, „teuer verkaufen, günstig kaufen“.
- Kritische Punkte:
- Rebalancing verursacht Transaktionskosten und Steuern – der Nutzen kann bei kleinen Depots geringer sein als gedacht.
- Strikte Regeln (z. B. 5 %-Abweichung oder jährliches Rebalancing) sind praktikabel, aber nicht für jeden Anleger optimal.
- Alternative: Anstelle von Verkäufen kann ein Ungleichgewicht auch durch gezielte Käufe („Soft Rebalancing“) korrigiert werden.
3. Geänderte Lebensumstände
Das Leben bleibt nicht statisch – und die Geldanlage sollte sich anpassen.
- Beispiele: Hauskauf, Familiengründung, Ruhestand oder veränderte Risikobereitschaft.
- Möglichkeiten:
- Anpassung der Sparrate (z. B. weniger in Aktien, mehr in Anleihen oder Cash).
- Schrittweise Umschichtung in risikoärmere Anlagen („Glidepath-Strategie“).
- Problem: Große Umschichtungen in ungünstigen Marktphasen können zu Verlusten führen. Planung im Voraus ist hier entscheidend.
4. Umgang mit schlecht laufenden ETFs
ETFs sind für langfristiges Investieren gedacht – Schwankungen gehören dazu.
- Breit gestreute ETFs (z. B. MSCI World) haben sich historisch von Krisen stets erholt. Ein vorschneller Verkauf ist hier oft kontraproduktiv.
- Spezialisierte oder Themen-ETFs sind riskanter. Sie können dauerhaft untergehen, wenn der Trend oder das Thema nicht trägt.
- Kritischer Punkt: Viele Anleger neigen bei Verlusten zu Panikverkäufen oder verlieren ihre ursprüngliche Strategie aus den Augen.
- Empfehlung: Vor dem Kauf eine klare Begründung („Investment Case“) formulieren. Wenn diese Grundlage nicht mehr besteht, kann ein Verkauf sinnvoll sein.
5. Steuerliche Aspekte nutzen
ETF-Verkäufe können auch steuerlich klug eingesetzt werden.
- Verlustverrechnung: Verluste lassen sich mit Gewinnen aus anderen Wertpapieren verrechnen und sogar ins Folgejahr übertragen.
- Sparerpauschbetrag: Die jährlichen 1.000 € sollten ausgeschöpft werden, da nicht genutzte Beträge verfallen. Gezielte Verkäufe am Jahresende können sinnvoll sein.
- Achtung: Unterschiedliche Verrechnungstöpfe (Aktien vs. Fonds/ETFs) schränken die Flexibilität ein. Zudem müssen Transaktionskosten und Spreads die Steuerersparnis nicht übersteigen.
6. Praktische Punkte beim Verkauf
- Handelszeiten: Verkäufe zu Börsenzeiten vermeiden unnötig hohe Spreads.
- Gebühren: Große Tranchen sind oft günstiger als viele kleine Verkäufe. Unterschiede zwischen Einzelverkäufen und Entnahmeplänen beachten.
- Liquidität: ETFs sind in der Regel liquide, doch in Stressphasen (Marktpanik, Nischenmärkte) können Spreads deutlich steigen.
7. Behavioral Finance – die unterschätzte Gefahr
Die größte Gefahr beim ETF-Verkauf liegt oft nicht im Markt, sondern im Verhalten der Anleger.
- Häufige Fehler: Panikverkäufe in Krisen, Gier nach kurzfristigen Gewinnen, zu spätes Handeln.
- Lösung: Feste Regeln für Verkäufe und Rebalancing helfen, Emotionen aus dem Entscheidungsprozess herauszuhalten. Ein schriftlich fixierter Plan (Investment Policy Statement) kann disziplinieren.
Fazit
Ein ETF-Verkauf sollte nicht aus dem Bauch heraus erfolgen, sondern einer klaren Strategie folgen. Die wichtigsten legitimen Gründe sind Zielerreichung, Rebalancing, geänderte Lebensumstände, dauerhaft schlechte Performance bei speziellen ETFs oder steuerliche Optimierung. Wer verkauft, muss neben Steuern und Gebühren auch psychologische Faktoren und die langfristige Wirkung auf das Gesamtportfolio bedenken. Disziplin, Planung und ein Verständnis für Risiken sind entscheidend, um das volle Potenzial von ETFs auszuschöpfen – und unnötige Fehler zu vermeiden.