Ob der Dax im Schlussmonat des Jahres noch einmal durchstartet, bleibt zweifelhaft. Zwar verweisen manche Marktbeobachter auf die statistisch starke Saisonalität des Dezembers, doch die Argumente für eine echte Jahresendrally verlieren an Kraft, sobald man sie mit dem aktuellen Marktumfeld abgleicht.
Mehrere Analysten verweisen auf die traditionelle Stärke des letzten Börsenmonats. Dezember-Renditen seien historisch überdurchschnittlich, und solange der Index nicht unter kritische Marken wie 23.500 Punkte falle, bestehe laut optimistischen Stimmen „weiterhin Rallypotenzial“. Die geldpolitische Großwetterlage wird ebenfalls gern ins Feld geführt: Ein mögliches Absenken des US-Leitzinses oder zumindest das Ausbleiben negativer Überraschungen könnte die Risikobereitschaft stützen. Doch diese Argumentation blendet aus, wie sehr die Erwartungen bereits in die Kurse eingepreist wurden – und wie sensibel die Märkte auf kleinere Enttäuschungen reagieren.
Skeptisch stimmen vor allem die fundamentalen Faktoren. Die deutsche Konjunktur stagniert, das Geschäftsklima sinkt, und wichtige Industriebranchen kämpfen mit strukturellen Schwächen. Selbst wenn Investoren aus Angst vor einer möglichen KI-Blase in den USA verstärkt europäische Titel ins Auge fassen, heißt das nicht, dass Kapital automatisch in den Dax fließt. Vielmehr bleibt offen, ob internationale Anleger tatsächlich bereit sind, substanzielle Engagements in einem Markt einzugehen, dessen Erholungsfähigkeit seit Monaten infrage steht.
Auch technische Signale wie der jüngste Anstieg über die 200-Tage-Linie wirken fragil. Ein kurzfristiger Rebound nach deutlichen Verlusten ist kein Beweis für eine Trendwende. Nicht zuletzt hängt ein Teil der jüngsten Marktphantasie an geopolitischen Hoffnungen, etwa auf Fortschritte im Ukraine-Konflikt. Doch politische Entspannung als Investmentthese ist notorisch unzuverlässig: Schon kleine Rückschläge können den Markt drehen.
Damit bleibt die Einschätzung nüchtern: Eine Jahresendrally ist möglich, aber auf wackligem Fundament. Der Markt zeigt kurzfristige Stärke, jedoch ohne Überzeugung. Zu viele der kursstützenden Faktoren sind unsicher, zu viele Risiken ungelöst. Für eine konservative Leserschaft gilt daher: Wachsam bleiben – und die Euphorie anderen überlassen.
