Im Folgenden wird ein im Handelsblatt erschienener Artikel konsequent aus der Perspektive eines langfristigen Buy-and-Hold-Anlegers, also eines Investors mit mehrjährigem bis jahrzehntelangem Anlagehorizont, Fokus auf Vermögensaufbau, geringer Umschichtung und möglichst einfacher Struktur bewertet. Grundlage ist der im Handelsblatt erschienene Beitrag.
1. Grundannahmen des Artikels vs. Buy-and-Hold-Logik
Artikelannahmen
Der Artikel geht implizit von folgenden Prämissen aus:
- Hohe Bewertungen → erhöhte Korrekturgefahr
- Seitwärts- oder Abwärtsmärkte sind problematisch und verlangen aktive Anpassung
- Der Einsatz von Derivaten innerhalb von ETFs sei ein sinnvoller Weg, um „schwierige Börsenzeiten“ zu managen
Buy-and-Hold-Gegenperspektive
Ein klassischer Buy-and-Hold-Ansatz basiert hingegen auf anderen Grundannahmen:
- Markttiming ist langfristig kaum zuverlässig möglich
- Zwischenzeitliche Rückgänge sind normal und einkalkuliert
- Langfristige Rendite entsteht primär durch Marktpartizipation, nicht durch Optimierung einzelner Marktphasen
Kernkonflikt:
Der Artikel adressiert ein Problem (mögliche kurzfristige Marktschwäche), das für Buy-and-Hold-Anleger zwar emotional relevant, aber strategisch zweitrangig ist.
2. Covered-Call-ETFs: Einkommensillusion statt Vermögensaufbau
Bewertung aus Buy-and-Hold-Sicht
Covered-Call-ETFs tauschen systematisch zukünftiges Aufwärtspotenzial gegen laufende Erträge. Genau hier liegt das zentrale Problem für langfristige Anleger.
Kritische Punkte:
- Langfristiger Vermögensaufbau lebt von asymmetrischen Renditen (wenige sehr starke Jahre tragen überproportional zur Gesamtrendite bei).
- Covered-Call-Strategien kappen genau diese starken Aufwärtsphasen.
- Hohe Ausschüttungen wirken attraktiv, sind aber kein zusätzlicher Ertrag, sondern häufig eine Vorwegnahme oder Umverteilung von Rendite.
Buy-and-Hold-Fazit:
Covered-Call-ETFs widersprechen dem Kernprinzip langfristigen Investierens: maximale Teilnahme an der langfristigen Wachstumsdynamik der Aktienmärkte.
3. Buffer-ETFs: Psychologischer Komfort mit Renditekosten
Bewertung aus Buy-and-Hold-Sicht
Buffer-ETFs adressieren primär ein psychologisches Bedürfnis: den Wunsch nach Verlustbegrenzung in absehbaren Zeiträumen.
Problematische Aspekte für Langfrist-Anleger:
- Der Schutz ist zeitlich befristet und muss regelmäßig „neu gekauft“ werden – implizit durch Kosten und entgangene Gewinne.
- Langfristig sind Markteinbrüche nicht das Hauptproblem, sondern verpasste Erholungen.
- Die Gewinnobergrenze wirkt in Haussephasen wie eine permanente Renditebremse.
Zentraler Kritikpunkt:
Buy-and-Hold funktioniert gerade deshalb, weil kurzfristige Verluste nicht aktiv bekämpft, sondern ausgesessen werden. Buffer-ETFs unterminieren diese Disziplin.
Buy-and-Hold-Fazit:
Buffer-ETFs sind ein Instrument zur emotionalen Stabilisierung, nicht zur Renditeoptimierung. Für Anleger mit langem Horizont sind sie strukturell ineffizient.
4. Short-ETFs: Fundamentaler Widerspruch zur Langfriststrategie
Bewertung aus Buy-and-Hold-Sicht
Short-ETFs stehen im klaren Gegensatz zur historischen Realität langfristiger Kapitalmärkte: Aktienmärkte steigen langfristig.
Aus Buy-and-Hold-Perspektive problematisch:
- Pfadabhängigkeit führt selbst bei seitwärts laufenden Märkten zu Wertverlusten.
- Sie erfordern aktives Timing – das Buy-and-Hold bewusst vermeidet.
- Sie setzen implizit auf dauerhafte Marktineffizienz, für die es langfristig keine Evidenz gibt.
Der Artikel weist zwar korrekt auf diese Risiken hin, integriert Short-ETFs aber dennoch als „Option“ für Anleger.
Buy-and-Hold-Fazit:
Short-ETFs sind unvereinbar mit einer langfristigen Haltestrategie und sollten aus dieser Sicht vollständig ausgeschlossen werden.
5. Was aus Buy-and-Hold-Sicht im Artikel fehlt
Ein langfristiger Anleger würde zentrale Alternativen vermissen:
- Rebalancing statt Derivateeinsatz
- Anpassung der Asset-Allokation (Aktienquote vs. Anleihen/Cash)
- Akzeptanz von Volatilität als Preis für langfristige Rendite
- Historische Evidenz, dass selbst hohe Bewertungen kein verlässlicher Ausstiegsindikator sind
Der Artikel suggeriert Handlungspflicht, wo Buy-and-Hold bewusst Nicht-Handeln empfiehlt.
6. Gesamturteil aus Buy-and-Hold-Perspektive
Positiv:
- Fachlich korrekt erklärt
- Transparente Darstellung der Funktionsweisen
- Risiken werden nicht vollständig verschwiegen
Negativ (entscheidend):
- Kurz- bis mittelfristige Denkmuster dominieren
- Langfristige empirische Kapitalmarkterkenntnisse bleiben unterrepräsentiert
- Komplexe Instrumente werden als Lösung für ein Problem präsentiert, das Buy-and-Hold gar nicht lösen will
Schlussfolgerung
Aus Sicht eines Buy-and-Hold-Anlegers ist der Artikel intellektuell interessant, strategisch aber weitgehend irrelevant. Die vorgestellten ETFs sind Werkzeuge für taktische Anpassungen – Buy-and-Hold setzt dagegen auf Einfachheit, Zeit und Disziplin.
Oder zugespitzt formuliert:
Der Artikel zeigt, wie man schwierige Börsenzeiten managen kann – Buy-and-Hold fragt, warum man es überhaupt versuchen sollte.
Wenn du möchtest, kann ich im nächsten Schritt:
- eine kurze Buy-and-Hold-Gegenstrategie zu den drei ETF-Typen formulieren,
- den Artikel aus Sicht eines Ruhestandsanlegers neu bewerten, oder
- empirisch zeigen, welche Rolle wenige starke Börsenjahre für die Langfristrendite spielen.
Warum Nichtstun oft die bessere Anlagestrategie ist
Wenn Börsen auf Rekordniveau stehen, Bewertungen hoch sind und die Unsicherheit zunimmt, wächst der Drang zu handeln. Der Wunsch nach Kontrolle ist menschlich – gerade in Phasen, die als „schwierig“ etikettiert werden. Der Artikel „ETFs für schwierige Börsenzeiten“ greift genau dieses Bedürfnis auf und präsentiert spezialisierte ETF-Lösungen, mit denen Anleger auch in seitwärts laufenden oder fallenden Märkten aktiv reagieren können. Aus langfristiger Sicht jedoch stellt sich eine grundlegend andere Frage: Muss man überhaupt reagieren?
Die vielleicht unbequeme Antwort lautet: häufig nein.
Langfristiges Investieren lebt nicht von taktischer Anpassung, sondern von Zeit. Aktienmärkte entwickeln sich nicht stetig, sondern sprunghaft. Ein erheblicher Teil der Gesamtrendite entsteht in wenigen, unvorhersehbaren Phasen starker Kursanstiege. Wer versucht, sich vor vermeintlich schwierigen Marktperioden zu schützen, läuft Gefahr, genau diese Phasen zu verpassen. Der Preis für Absicherung ist damit nicht nur theoretisch, sondern real: entgangene Rendite.
Die im Artikel vorgestellten Instrumente – Covered-Call-, Buffer- und Short-ETFs – eint ein gemeinsames Prinzip. Sie reduzieren bestimmte Risiken, indem sie andere bewusst in Kauf nehmen. Kurschancen werden begrenzt, Zeiträume fixiert oder Marktentwicklungen invertiert. Aus kurzfristiger oder taktischer Perspektive mag das sinnvoll erscheinen. Für Anleger mit langem Horizont jedoch bedeutet es eine strukturelle Abkehr vom zentralen Renditetreiber: der vollständigen Partizipation am langfristigen Wachstum der Kapitalmärkte.
Besonders problematisch ist dabei, dass diese Strategien häufig als Schutzmechanismen wahrgenommen werden, tatsächlich aber nur unter sehr spezifischen Bedingungen wirken. Covered-Call-ETFs dämpfen Volatilität, kappen aber Aufwärtsbewegungen. Buffer-ETFs vermitteln Sicherheit, allerdings nur temporär und zu vergleichsweise hohen Kosten. Short-ETFs schließlich setzen dauerhaft auf eine Entwicklung, die historisch die Ausnahme ist. Sicherheit wird suggeriert, aber nicht garantiert – Rendite hingegen wird sicher begrenzt.
Hinzu kommt ein weiterer, oft unterschätzter Aspekt: Komplexität. Je ausgefeilter ein Produkt, desto höher die Anforderungen an Verständnis, Timing und Disziplin. Komplexität erhöht nicht nur Kosten, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen – insbesondere in Stressphasen. Buy-and-Hold setzt dem bewusst Einfachheit entgegen. Ein klar strukturiertes Portfolio, das regelmäßig überprüft, aber nicht permanent angepasst wird, ist weniger anfällig für emotionale Überreaktionen.
Nichtstun wird dabei häufig missverstanden. Es bedeutet nicht Gleichgültigkeit oder mangelnde Planung. Im Gegenteil: Es setzt eine bewusste Entscheidung voraus, Marktschwankungen zu akzeptieren, weil sie langfristig unvermeidbar und notwendig sind. Nichtstun heißt, der eigenen Strategie auch dann zu vertrauen, wenn Schlagzeilen verunsichern und Prognosen düster ausfallen.
Empirisch spricht vieles für diesen Ansatz. Die größten Renditeverluste privater Anleger entstehen nicht durch Markteinbrüche an sich, sondern durch falsches Verhalten: zu spätes Einsteigen, zu frühes Aussteigen, hektisches Umschichten. Nichtstun schützt vor genau diesen Fehlern. Es ist weniger eine Technik als eine Haltung – und oft die diszipliniertere.
Der Artikel zeigt, wie Anleger versuchen können, schwierige Börsenzeiten aktiv zu managen. Die Gegenposition lautet: Schwierige Börsenzeiten sind kein Ausnahmezustand, sondern der Normalfall. Wer langfristig investiert, muss sie nicht lösen, sondern aushalten.
Gerade deshalb ist Nichtstun oft keine Schwäche, sondern eine Stärke.
