Der Industriestrompreis sollte das große Versprechen sein, die Rettung für energiehungrige Betriebe im Land, die Antwort auf Jahre voller Unsicherheit. Es klang nach einem Hoffnungsschimmer für Firmen, die ihre Produktion längst nur noch mit zusammengebissenen Zähnen am Laufen halten. Doch was nun vorliegt, wirkt eher wie ein halb fertig gedachtes Trostpflaster, und das ist noch höflich formuliert.
Schon beim ersten Blick auf die Regeln springt ins Auge, was viele im Alltag hart treffen wird. Unternehmen bekommen die Entlastung nur für die Hälfte ihres Stroms. Man fragt sich ehrlich, wie jemand glaubt, dass eine Firma ihre Anlagen nur zu fünfzig Prozent betreiben kann. Die zweite Hälfte des Verbrauchs läuft trotzdem weiter und muss zu normalen Preisen bezahlt werden. Die Politik verkauft das als Entlastung, doch es fühlt sich eher nach Rechenkunst an, die niemandem wirklich hilft.
Dazu kommt etwas, das die Sache noch absurder macht. Die Firmen müssen mindestens die Hälfte des Rabatts gleich wieder investieren, und zwar in Projekte, die zwar nett klingen, aber in der Realität viel Geld binden und lange dauern. Neue Anlagen, Speicher, Flexibilisierung, das sind Dinge, die sinnvoll sind, aber nicht zu einem Zeitpunkt, an dem viele Betriebe gerade um ihre Existenz kämpfen. Die Logik dahinter wirkt wie ein schlechter Scherz. Man verspricht Hilfe und hängt dann gleich neue Pflichten dran, und am Ende liegt der eigentliche finanzielle Vorteil fast bei null.
Viele Unternehmen beschreiben das Konzept als bürokratisches Labyrinth, und genau so liest es sich auch. Nachweise, Berichte, Anträge, Fristen von vier Jahren, die für große Projekte kaum reichen, technische Ausnahmen, die wieder extra geprüft werden müssen, jede dieser Regeln kostet Zeit und Geld. Am Ende bleibt oft weniger übrig, als die eigentliche Förderung wert ist. Es ist kein Wunder, dass die Stimmung in den Chefetagen kippt und viele sich fragen, ob man sie absichtlich ausbremsen will.
Ein weiterer bitterer Punkt ist, dass dieser Industriestrompreis nur den Einkauf des Stroms betrifft. Alles andere bleibt gleich hoch: Netzentgelte, Abgaben, Umlagen. Deutschland hat hier ohnehin die Spitze in Europa erreicht, und genau diese Kosten drücken am stärksten. Wer ernsthaft Entlastung will, muss an die Gesamtrechnung ran. Stattdessen dreht man an einem Hebel, der am Ende kaum Wirkung entfaltet. Es ist wie einen Wassereimer zu füllen und gleichzeitig zwei Löcher offen zu lassen.
Selbst die Energiewirtschaft warnt davor, dass dieser Plan den Markt verzerrt, und es stimmt. Ein künstlich abgesicherter Preis nimmt Anreize für Flexibilität. Dabei ist genau diese Flexibilität nötig, wenn man mehr Strom aus Wind und Sonne nutzen will. Der Staat greift hier tief in ein System ein, das ohnehin gerade im Umbau steckt, und er tut es ohne klare Linie. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich, der wenig Vertrauen erzeugt.
Es entsteht der Eindruck, dass die Politik unbedingt etwas präsentieren wollte, aber sich am Ende in Brüssel und in den eigenen Zielkonflikten verheddert hat. Herausgekommen ist ein Instrument, das zu groß ist, um es zu ignorieren, aber zu klein, um echte Wirkung zu entfalten. Die Betriebe fühlen sich hingehalten, die Bevölkerung hört große Versprechen und bekommt wieder nur Kompromisse geliefert, und am Ende steht Deutschland mit einem Industriestrompreis da, der seinen Namen nicht verdient.
Es bleibt die Frage, warum man eine so wichtige Entscheidung so halbherzig angeht. Die Industrie ist das Rückgrat dieses Landes. Sie braucht Sicherheit statt Symbolpolitik. Wer wirklich Entlastung schaffen will, muss mutiger sein und klarer handeln. Sonst wird aus einem wirtschaftlichen Problem bald eine größere Krise, die alle trifft.
1. Kernelemente des Industriestrompreiskonzepts
- Entlastung ab 2026 für Unternehmen aus 91 energieintensiven Sektoren.
- Preisnachlass gilt nur für 50 % des Stromverbrauchs, da dies eine EU-Vorgabe ist.
- Zeitlich befristet auf drei Jahre und an CISAF gebunden.
- Mindestens 50 % der erhaltenen Entlastung müssen in „Gegenleistungen“ investiert werden, z. B.:
- Ausbau eigener erneuerbarer Stromerzeugung
- Energiespeicher
- Effizienzmaßnahmen
- Flexibilisierung der Stromnachfrage
- Elektrolyseure für grünen oder CO₂-armen Wasserstoff
- Elektrifizierungsinvestitionen
- Weitere mögliche Gegenleistungen (noch nicht mit EU abgestimmt): Netzanschlüsse, PPA mit erneuerbaren Anlagen.
- Umsetzungsfrist: 48 Monate, mit der Möglichkeit technischer Verlängerungen.
2. Erwartbare tatsächliche Preiswirkung
Der politisch zugesagte Industriestrompreis von 5 Cent/kWh wird faktisch nicht erreicht:
Beispielrechnung aus dem Artikel:
- Marktpreis: 8 Cent/kWh
- Subventioniert werden nur 50 % → dort Reduktion auf 5 Cent
- Durchschnittlicher Strompreis: 6,5 Cent/kWh
- Da 50 % der Entlastung investiert werden müssen, steigt die effektive Belastung auf 7,25 Cent/kWh
- Realer Rabatt: nur etwa 9 %
Unternehmen berichten daher, dass letztlich nur ein mittlerer einstelliger Prozentwert als reale Entlastung verbleibt – u. a. durch zusätzlichen bürokratischen Aufwand.
3. Kritik der Industrie
a) Begrenzung auf 50 % der Strommenge
Branchenvertreter wie der Kalkindustrie-Verband sehen keinen sachlichen Grund für diese Einschränkung und bewerten sie als Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit.
b) Zwang zu Investitionen
Viele Unternehmen sehen die Kopplung von Entlastung an Investitionsverpflichtungen als problematisch:
- Einschränkung betriebswirtschaftlicher Handlungsspielräume
- Praktisch reduzierter Effekt der Entlastung
- Hohe Bürokratiekosten und komplexe Antragsprozesse (z. B. bei Siempelkamp)
c) Bürokratie und Fristen
Die 48-Monats-Frist gilt vielen Verbänden als zu kurz, insbesondere bei komplexen Umbaumaßnahmen.
d) Fehlende Einbeziehung der Stromnebenkosten
Der Industriestrompreis betrifft nur die Strombeschaffung, nicht aber:
- Netzentgelte
- Abgaben
- Umlagen
Gerade diese Kosten sind in Deutschland besonders hoch.
