Die US-Administration unter Donald Trump lanciert ein Online-Portal zur Bekämpfung von „Medien-Bias“. Was als Korrektiv gegen einseitige Berichterstattung verkauft wird, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ordnungspolitischer Sündenfall. Der Staat greift nicht nur in den Markt der Meinungen ein, er nutzt Steuergelder, um private Akteure namentlich an den Pranger zu stellen. Das sollte auch jene alarmieren, die den etablierten Medien kritisch gegenüberstehen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Vertrauen in die klassischen Medienhäuser, die sogenannten „Legacy Media“, in den USA seit Jahren erodiert. Aus konservativer Sicht oft zu Recht: Die Vermischung von Aktivismus und Journalismus in großen Redaktionen ist ein Ärgernis, das den politischen Diskurs der Vereinigten Staaten verzerrt hat. Doch die Antwort, die das Weiße Haus nun mit seinem neuen Portal wh.gov/mediabias liefert, ist keine Marktkorrektur. Sie ist ein staatlicher Angriff auf die institutionelle Architektur der Demokratie.
Das Portal, das am gestrigen Montag online ging, gleicht weniger einer Pressestelle als einem digitalen Pranger. Unter Rubriken wie „Offender Hall of Shame“ (Halle der Schande) werden einzelne Journalisten mit Foto und Namen gelistet, ihre Arbeit als „Lüge“ oder „Fan-Fiction“ klassifiziert. Das Weiße Haus belässt es nicht dabei, eigene Fakten zu präsentieren – das wäre das gute Recht jeder Regierung. Stattdessen institutionalisiert die Exekutive die Herabwürdigung derer, die sie kontrollieren sollen.
Die Umkehrung der Kontrollhierarchie
Aus staatsrechtlicher und ökonomischer Perspektive ist dieser Vorgang hochproblematisch. In einer liberalen Marktwirtschaft und Demokratie fungiert die Presse als Vierte Gewalt. Sie kontrolliert den Staat. Wenn der Staat nun beginnt, Noten an Journalisten zu verteilen und „Sünder“ in einer amtlichen Datenbank zu erfassen, kehrt er diese Kontrollhierarchie um.
Das Weiße Haus beansprucht damit ein Wahrheitsmonopol, das ihm nicht zusteht. Wer definiert, was „Fake News“ sind? Auf wh.gov ist es nun allein die Regierungspartei. Das ist Planwirtschaft der Information. Ein staatlich administriertes „Wahrheitsministerium“, auch wenn es sich modern und digital als „Faktencheck“ tarnt, ist ein Instrument autoritärer Systeme, nicht das einer westlichen Demokratie.
Chilling Effect: Ein Eingriff in den Wettbewerb
Für den Markt der freien Presse hat dies gravierende Folgen. Juristen sprechen vom „Chilling Effect“ – einer abschreckenden Wirkung. Wenn ein Journalist befürchten muss, für einen kritischen Bericht namentlich auf einer Regierungswebseite als „Feind“ markiert zu werden, steigt das persönliche und berufliche Risiko immens. Dies gilt insbesondere in einem so polarisierten Klima wie dem der USA, wo das Label „Sedition“ (Aufruhr), das auf der Seite prominent genutzt wird, schnell als Aufruf zur Gewalt missverstanden werden kann.
Dies führt zu einer Wettbewerbsverzerrung. Medienhäuser könnten aus rein ökonomischem Kalkül – um Klagen, den Entzug von Akkreditierungen oder staatliche Schikanen zu vermeiden – in vorauseilenden Gehorsam verfallen. Eine solche Selbstzensur ist Gift für den freien Wettbewerb der Ideen.
Das Schwert schneidet in beide Richtungen
Auch konservative Stimmen, die sich über den Gegenwind für CNN oder die Washington Post freuen mögen, sollten innehalten. Die Befugnisse, die sich die Trump-Administration hier aneignet, schaffen einen gefährlichen Präzedenzfall.
Wenn wir akzeptieren, dass die Regierung Steuergelder und offizielle .gov-Domänen nutzen darf, um private Journalisten namentlich zu delegitimieren, dann steht dieses Instrument jeder künftigen Regierung zur Verfügung. Man stelle sich vor, eine künftige links-progressive Administration würde Fox News oder das Wall Street Journal auf eine staatliche „Liste der Klimaleugner“ oder „Hass-Sprecher“ setzen.
Der Schutz der Pressefreiheit im Ersten Verfassungszusatz dient nicht dazu, Journalisten vor Kritik zu schützen. Er dient dazu, den Bürger vor einem Staat zu schützen, der die Informationsflüsse kontrollieren will. Mit dem neuen Portal verlässt das Weiße Haus den Boden des legitimen politischen Streits („Government Speech“) und betritt den Bereich staatlicher Repression. Wer die Freiheit der Märkte schätzt, darf den Markt der Meinungen nicht der staatlichen Kuratierung überlassen.
