Ergebnisveröffentlichung Q4/GJ 2025 – Siemens

1. Strategischer Rahmen: Beginn der nächsten Wachstumsphase von Siemens

1.1 ONE Tech Company Programm – Kernidee

Siemens positioniert sich strategisch neu, indem das Unternehmen seine Software-, Hardware- und Servicekompetenzen systematisch zu einem integrierten Tech-Konzern verbindet. Ziel ist ein beschleunigtes profitables Wachstum, insbesondere durch den massiven Ausbau des Digitalgeschäfts, den Fokus auf KI und die Nutzung vertikaler Industrievorteile.

1.2 Höhere mittelfristige Ambition

Das erwartete Umsatzwachstum soll künftig 6–9 % pro Jahr betragen, das EPS vor PPA im hohen einstelligen Bereich wachsen.

1.3 Entkonsolidierung von Siemens Healthineers

Siemens plant die Entkonsolidierung, um Komplexität zu reduzieren, Governance zu vereinfachen und den Anteil des reinen Digitalgeschäfts im Konzern zu erhöhen.

Kritische Bewertung:
Diese strategische Ausrichtung folgt einem klaren Trend: global bewerten Kapitalmärkte „Pure Play Tech“-Geschäftsmodelle höher als stark diversifizierte Industrieportfolios. Allerdings birgt eine Entkonsolidierung auch Risiken: Verlust von cross-segment Synergien, geringere Diversifikation und größere Abhängigkeit von zyklischeren Industrie- und Softwaremärkten.

2. Die vier strategischen Wachstumsachsen (Grow Digital, Regions, Verticals, AI)

2.1 Grow Digital

  • Digitalgeschäft wuchs in den letzten fünf Jahren 12 % p.a. auf 9,4 Mrd. €.
  • Neue Zielsetzung: Verdoppelung bis 2030, ca. 15 % p.a.
  • ARR stiegen auf 5,3 Mrd. €, 24.000 neue SaaS-Kunden.

Kritisch:
Die ambitionierte Verdopplung setzt auf dauerhaft zweistelliges Wachstum – realistisch in boomenden Bereichen wie PLM-Software und EDA, jedoch stark abhängig von der globalen Investitionsneigung in Industrieautomatisierung.

2.2 Grow Regions

Investitionsschwerpunkte: USA, China, Indien.
Geschätzte Markt-CAGRs:

  • USA ~6 %, China ~4 %, Indien >7 %.

Kritisch:
Starke regionale Diversifikation schützt gegen geopolitische Risiken – jedoch sind die Wachstumsannahmen (v. a. für China) angesichts globaler Handelskonflikte nicht risikofrei.

2.3 Grow Verticals

Ziel: Ganzheitliche Lösungen über komplette Wertschöpfungsketten hinweg.
Wachstumsstarke Branchen:

  • Aerospace & Defense (9 %)
  • Life Sciences (9 %)
  • Halbleiter (10 %)
  • Rechenzentren & KI-Fabriken (11 %)

Kritisch:
Die Branchen sind attraktiv und zukunftsorientiert, aber stark kapitalintensiv und geopolitisch sensibel (z. B. Halbleiterförderprogramme, Verteidigungssektor).

2.4 Grow AI

  • 1 Mrd. € KI-Investitionen in 3 Jahren
  • 1.500 KI-Experten im Unternehmen

Kritisch:
Siemens verfolgt einen industriellen KI-Fokus – ein Segment mit weniger Hype, aber hoher Realisierbarkeit. Herausforderung bleibt die Integration in Legacy-Systeme der Kunden.

3. Finanzielle Lage: Rekordjahr 2025

3.1 Gesamtkonzern 2025

  • Auftragseingang (vglb.) +6 % → 88,4 Mrd. €
  • Umsatz (vglb.) +5 % → 78,9 Mrd. €
  • Gewinn nach Steuern +16 % → 10,4 Mrd. € (drittes Rekordjahr in Folge)
  • Free Cash Flow 10,8 Mrd. € – Rekord

3.2 Segmententwicklung

Digital Industries (DI)

  • Auftragseingang +29 %, Umsatz +9 %, Ergebnis leicht +5 %
  • Belastungen durch Altair/Dotmatics (~–68 Mio. €)

Smart Infrastructure (SI)

  • Umsatz +9 % vglb., Ergebnis +12 %
  • Starkes Wachstum im Electrification-Geschäft

Mobility

  • Auftragseingang –44 % (Vorjahr außergewöhnlich hoch)
  • Ergebnis –8 %

Siemens Healthineers

  • Umsatz stabil, Ergebnis –6 %
  • Belastung durch Handelszölle

Kritisch:
Während das Industriekerngeschäft sehr solide performt, entwickelt sich Healthineers verhaltener – dies stützt die strategische Argumentation für eine Entkonsolidierung.

4. Bedeutung der Akquisitionen (Altair, Dotmatics)

Die Übernahmen stärken Siemens in KI, EDA und wissenschaftlicher Datenanalyse, belasten aber kurzfristig Gewinn und Margen (höhere Abschreibungen, Integrationsaufwände).

Kritisch:
Kurzfristige Ergebnisbelastungen sind typisch – entscheidend wird sein, ob die Integration gelingt und die gekauften Softwareplattformen nahtlos ins Xcelerator-Ökosystem eingebunden werden.

5. Kapitalmarktpolitik

  • Dividende soll auf 5,35 € steigen.
  • Aktienrückkäufe bleiben „tragende Säule“.

Kritisch:
Progressive Dividendenpolitik in einer Zeit hoher Investitionen (KI, Akquisitionen) bedeutet eine erhöhte Ausschüttungsquote und potenziell weniger Spielraum für zukünftige Vorhaben.

6. Ausblick auf 2026

  • Umsatzwachstum 6–8 % vglb.
  • EPS pre PPA: 10,40–11,00 € (Währungseffekte stark negativ)

Kritisch:
Der Ausblick ist ambitioniert, aber realistisch – entscheidend wird sein, wie stark die erwarteten negativen Währungseffekte tatsächlich ausfallen und ob DI und SI ihre starke Performance halten können.

7. Gesamtbewertung der integrierten Inhalte

7.1 Stärke der strategischen Erzählung

Siemens positioniert sich klar im globalen Wettbewerb der Technologie-Industriekonzerne, ähnlich wie ABB, Schneider Electric oder Dassault Systèmes, aber mit stärkerem Software-Fokus.

7.2 Finanzielle Ausgangsbasis

Die rekordhohe Cash-Generation verschafft finanziellen Spielraum für Akquisitionen und KI-Investitionen.

7.3 Risiken

  • Geopolitische Unsicherheiten (China, Indien, USA)
  • Integrationsrisiken neuer Softwarefirmen
  • Abhängigkeit von Investitionszyklen in der Industrie
  • Mögliche Kannibalisierung klassischer Produkte durch SaaS-Modelle

7.4 Chancen

  • Boom bei KI-Fabriken & Rechenzentren
  • globaler Automatisierungstrend
  • nachhaltige Nachfrage nach Netzinfrastruktur und Elektrifizierung
  • wachsender Bedarf nach integrierten digitalen Zwillingen

Zusammenfassung

1. Ausgangslage – Rekordergebnisse

Siemens erzielt zum dritten Mal in Folge Rekordgewinn.

  • Nettogewinn +16 % auf über 10 Mrd. €
  • Operatives Ergebnis +3 % auf 11,8 Mrd. €
    Die Zahlen gelten als stark, gerade in einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld.

2. Leistungsbeiträge der Geschäftsbereiche

  • Starke Bereiche: Mobility (hoher Auftragsbestand), Siemens Healthineers (ordentliche Ergebnisse), weitere Industriesegmente ebenfalls solide.
  • Schwachpunkt: Digital Industries (DI).
    • Probleme besonders in der Automatisierungstechnik (z. B. S7, industrielle Steuerungen).
    • In China verlieren die Münchner Marktanteile an lokale Anbieter.
    • Industriesoftware hingegen entwickelt sich gut – auch dank Zukäufen.

3. Neue Wachstumsstrategie: ONE Tech Company

CEO Roland Busch will Siemens stärker zu einem integrierten Technologiekonzern formen – bereichsübergreifend, koordiniert, digital getrieben.
Erstmals werden konkrete Ziele genannt:

  • Umsatzwachstum 6–9 % pro Jahr
  • Digitalumsatz (aktuell ~9 Mrd. €) soll bis 2030 verdoppelt werden
  • Stark davon getragen: jährliches Digitalwachstum von 15 %
    Die Strategie kombiniert Hardware, Software und KI enger als zuvor.

4. Widerspruch zwischen aktuellem DI-Schwächeln und digitalem Wachstumsziel?

Der scheinbare Konflikt ergibt sich aus der Segmentlogik:

  • Im Segment DI steckt sowohl Automatisierung als schwächelnder Teil als auch Software als Wachstumstreiber.
  • Die Digitalsoftware läuft gut, die Automatisierung schwächelt – deshalb erscheint die Gesamtentwicklung ambivalent.

5. Großschritt: Entkonsolidierung von Siemens Healthineers

Der Aufsichtsrat hat beschlossen, die Mehrheit abzugeben:

  • Rund 30 % der Healthineers-Anteile sollen als Sachdividende an Siemens-Aktionäre gehen.
  • Siemens behält zunächst ca. 36 %, die später reduziert werden sollen.
  • Finanzielle Mittel aus Verkäufen sollen Softwareakquisitionen ermöglichen.

Hintergrund:

  • Mischkonzerne gelten an der Börse als weniger attraktiv.
  • Investoren fordern mehr Fokussierung.
  • Historischer Schritt – vergleichbar mit Siemens Energy.

6. Warum die Aktie trotz Rekordzahlen fällt

  • Die Abspaltung von Healthineers war bereits erwartet – keine Überraschungseffekte.
  • Die Aktie stand unmittelbar zuvor auf Rekordniveau.
  • Die neuen Wachstumsziele gelten als solide, aber nicht außergewöhnlich.
  • Kein radikaler Umbau, kein Sparprogramm – entsprechend verhaltene Reaktion.

7. Siemens im Branchenvergleich

Siemens schlägt sich deutlich besser als viele Industrieunternehmen in Deutschland.
Gründe:

  • Starke Position in Digitalisierung der Industrie – ein Feld, das in Europa sonst schwach besetzt ist.
  • Kombination aus Hardwarekompetenz und Software-Know-how.
  • Große Fortschritte in industrieller KI und in Partnerschaften (z. B. mit Nvidia, Industrial Metaverse).
  • Tiefes Domain-Wissen aus Jahrzehnten in der Industrie – ein Vorteil gegenüber reinen Softwarefirmen.

8. Bedeutung des Trends

Der globale Trend geht zu fokussierten Spezialisten statt Mischkonzernen.
Siemens folgt dieser Logik konsequent – und könnte dadurch Druck auf andere deutsche Konzerne erhöhen, die ähnliche Konglomeratstrukturen haben.


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