Der globale Wettlauf um kritische Rohstoffe ist in vollem Gange. Die USA handeln schneller und mit größerer finanzieller Schlagkraft. Das erzeugt in Brüssel Unbehagen – sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Es geht letztlich um Zugriffsrechte, Einflusszonen und Wertschöpfung.
1. Ausgangslage: Strategische Bedeutung der Ukraine
Die Ukraine verfügt über bedeutende geologische Vorkommen von zwei Dritteln der 34 von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffe, darunter Titan, Mangan, Lithium, Kobalt, Nickel, Kupfer und Graphit. Allerdings ist das aktuelle Fördervolumen gering und konzentriert sich auf wenige Materialien wie Titan, Mangan und Eisenerz.
Die EU strebt in Anbetracht globaler Versorgungsrisiken eine Diversifizierung ihrer Rohstofflieferketten an. Die Ukraine wurde bereits 2021 als strategischer Partner in einer Rohstoffpartnerschaft anerkannt.
2. Rohstoffreserven der Ukraine
- Lithium: 1–2 % der weltweiten Reserven – größter Bestand Europas.
- Titan: Platz 9 weltweit.
- Mangan: 7 % der weltweiten Reserven – Platz 4.
- Eisenerz: 3 % der globalen Reserven – Platz 8.
Viele dieser Vorkommen befinden sich allerdings in kriegsbetroffenen Gebieten im Osten des Landes, was eine kurzfristige Erschließung erschwert.
3. Rohstoffbedarf & Technologierelevanz
Die untersuchten Rohstoffe sind zentral für:
- Grüne Technologien (z. B. Batterien, E-Mobilität),
- Digitale Anwendungen (z. B. Halbleiter, Kommunikationstechnologie),
- Rüstungs- und Luftfahrtindustrie.
Titan und Mangan sind derzeit die strategisch relevantesten abgebauten Rohstoffe. Besonders Mangan wird in fast allen Schlüsseltechnologien benötigt. Zukünftige Förderstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt sind noch wichtiger für kommende technologische Anwendungen.
4. Handelsströme & Exportstruktur
- Rohstoffexporte machten 2019 rund 12,4 % der ukrainischen Gesamtausfuhren aus; 2023 waren es noch 9 %.
- Polen ist seit dem Krieg wichtigster Abnehmer, gefolgt von Indien, Türkei, Italien und der Slowakei.
- Eisenerz dominiert mit 80 % der Rohstoffexporte, gefolgt von Mangan (6 %) und Titan (2 %).
Aktuell liefert die Ukraine:
- 5 % des globalen Exportvolumens für raffiniertes Mangan, 12 % der EU-Importe (3 % für Deutschland).
- 3 % der globalen Primär-Titanexporte, 7 % der EU-Importe.
5. Globale Lieferketten & Abhängigkeiten
Die Versorgung mit strategischen Rohstoffen ist global hoch konzentriert:
- Kobalt: 67 % aus der DR Kongo, 78 % der Raffinierung in China.
- Graphit: 67 % aus China.
- Nickel: 46 % aus Indonesien.
China dominiert die Verarbeitung fast aller Batterierohstoffe. Selbst bei moderater Konzentration im Bergbau (z. B. Kupfer), verlagert sich die Abhängigkeit oft auf die Raffinierungsstufe.
6. Politische Implikationen und strategische Empfehlungen
Aktueller Status:
- Die Ukraine ist bisher nur ein ergänzender Akteur in der EU-Versorgung.
- Ihre derzeit geförderten Rohstoffe weisen geringere Versorgungsrisiken auf.
Zukünftiges Potenzial:
- Die Ukraine könnte eine Schlüsselrolle übernehmen – besonders bei stark konzentrierten Rohstoffen wie Lithium und Kobalt.
- Voraussetzung: Aufbau nationaler Verarbeitungskapazitäten (Raffinierung, industrielle Verarbeitung).
- Alternativ: Verarbeitung innerhalb der EU mit ukrainischen Rohstoffen.
Empfehlungen für die EU:
- Vertiefung strategischer Partnerschaften mit stabilen rohstoffreichen Staaten.
- Stärkung eigener Raffinierungskapazitäten.
- Kreislaufwirtschaft, Recycling und Materialsubstitution forcieren.
Kritische Würdigung
Die Studie liefert eine fundierte Analyse der Potenziale der Ukraine im Rohstoffsektor, betont jedoch zu Recht, dass Bergbau allein nicht genügt, um strategische Autonomie zu sichern. Die Schlüsselrolle Chinas in der Raffinierung wird eindringlich hervorgehoben – ein Punkt, der oft unterschätzt wird. Gleichzeitig bleibt offen, ob und wie schnell die Ukraine unter den derzeitigen geopolitischen Rahmenbedingungen notwendige Investitionen und Infrastrukturprojekte umsetzen kann.