Historische Entwicklung und Vergleich ökonomischer Schulen: Neoklassik, Keynesianismus und Monetarismus

1. Die klassische und neoklassische Ökonomie (bis ca. 1930)

Die klassische und später neoklassische Schule geht von einem Selbstheilungsmechanismus der Märkte aus. Im Zentrum steht Say’s Law („jedes Angebot schafft sich seine eigene Nachfrage“), das unterstellt, dass es keine anhaltende Unterbeschäftigung geben kann. Märkte – auch der Arbeitsmarkt – gleichen sich über Preis- und Lohnanpassungen automatisch aus. Staatliche Eingriffe gelten als störend.

Kernannahmen:

  • Rational handelnde Akteure (Homo oeconomicus)
  • Vollkommene Märkte und Flexibilität von Preisen und Löhnen
  • Geld ist neutral – es beeinflusst nur das Preisniveau, nicht reale Größen
  • Rolle des Staates: minimal („Laissez-faire“)

Kritik: Diese Modelle scheiterten an der Erklärung der Weltwirtschaftskrise 1929, die durch Massenarbeitslosigkeit, Nachfragelücken und Deflation geprägt war.

2. Der Keynesianismus (ab 1936)

Mit John Maynard Keynes‘ Werk „The General Theory of Employment, Interest and Money“ (1936) erfolgt eine tektonische Wende: Keynes bricht mit der Vorstellung, Märkte seien von sich aus stabil. Seine Theorie ist eine direkte Reaktion auf die Depression der 1930er-Jahre. Er zeigt, dass es Nachfragelücken geben kann, die sich nicht von selbst schließen – insbesondere, wenn private Haushalte und Unternehmen zu wenig konsumieren bzw. investieren.

Kernannahmen:

  • Nachfrage bestimmt das Produktionsniveau und damit Beschäftigung
  • Geld ist kurzfristig nicht neutral (Liquiditätsfalle, Zinsmechanismus)
  • Der Staat muss durch antizyklische Fiskalpolitik Nachfrage stabilisieren
  • Arbeitslosigkeit kann auch bei Gleichgewicht herrschen

Ausprägungen:

  • Neo-Keynesianismus: Integration keynesianischer Ideen in mikrofundierte Modelle (z. B. IS-LM-Modell, Phillips-Kurve)
  • Postkeynesianismus: Stärker heterodoxe, kritische Weiterentwicklungen

3. Der Monetarismus (ab ca. 1950/60er-Jahre)

Milton Friedman begründet den Monetarismus als Renaissance neoklassischer Ideen, zugleich aber als methodisch fundierte Gegenbewegung zum damals dominanten Keynesianismus. Die zunehmende Inflation in den späten 1960er- und 1970er-Jahren (Stagflation) stellte die Wirksamkeit keynesianischer Maßnahmen infrage – und verschaffte monetaristischen Konzepten Auftrieb.

Zentrale Unterschiede zum Keynesianismus:

  • Fokus auf Geldmengensteuerung statt Fiskalpolitik
  • Inflation als monetäres Phänomen, nicht als Folge realwirtschaftlicher Engpässe
  • Langfristige Geldneutralität wird betont
  • Empfehlung: Regelgebundene Geldpolitik, keine diskretionären Eingriffe

Der Monetarismus gilt als intellektuelle Grundlage für eine Reihe wirtschaftspolitischer Wenden (z. B. unter Thatcher in Großbritannien, Reagan in den USA), häufig als Teil einer marktorientierten „Angebotspolitik“.

4. Reaktion und Synthese: Neue Klassische und Neue Keynesianische Ökonomie

Ab den 1980er-Jahren entstehen zwei Schulen, die Monetarismus und Keynesianismus weiterentwickeln:

  • Neue Klassische Ökonomie (z. B. Robert Lucas):
    Führt rationale Erwartungen ein, betont die Unwirksamkeit stabilitätspolitischer Maßnahmen, da Akteure sie antizipieren (Lucas-Kritik). Der Staat kann kaum wirksam eingreifen, da sich Wirtschaftssubjekte anpassen.
  • Neue Keynesianische Ökonomie (z. B. Greg Mankiw, Michael Woodford):
    Integriert Mikrofundierung und rationale Erwartungen, aber akzeptiert, dass es Marktunvollkommenheiten gibt (z. B. Preis- und Lohnrigiditäten). Geldpolitik ist wirksam, wenn auch nicht allmächtig.

Die moderne Geldpolitik, wie sie heute etwa von der EZB oder der Fed betrieben wird, ist maßgeblich vom Konsens zwischen neuen Keynesianern und gemäßigten Monetaristen geprägt: Preisstabilität steht im Vordergrund, aber Zentralbanken reagieren flexibel auf Wirtschaftslagen.


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