Ist das 60/40-Portfolio noch zeitgemäß? Warum ein Klassiker der Geldanlage ins Wanken gerät
Jahrzehntelang war es das Rückgrat unzähliger Anlagestrategien: das 60/40-Portfolio. Ein vermeintlich simples Erfolgsrezept – 60 % Aktien für Wachstum, 40 % Anleihen für Sicherheit. Die Mischung galt als „heiliger Gral“ der Vermögensverwaltung. Doch nun mehren sich die Stimmen, die das Modell als veraltet und riskant einstufen. An vorderster Front: Larry Fink, CEO von BlackRock. Seine Forderung nach einem radikalen Umdenken wirft eine zentrale Frage auf: Ist das 60/40-Modell heute noch zeitgemäß?
Ein Erfolgsmodell mit Rissen
Die Idee hinter der 60/40-Verteilung war bestechend: Während Aktien zyklisch schwanken, sollten Anleihen in Krisenzeiten Stabilität bieten – eine natürliche Absicherung innerhalb des Portfolios. Und tatsächlich: Über Jahrzehnte hinweg lieferte dieses Modell solide Renditen bei vergleichsweise geringem Risiko. Doch die Finanzwelt hat sich verändert – und mit ihr die Wirkungsweise klassischer Diversifikation.
Spätestens mit der Zinswende 2022 wurden die Schwächen offensichtlich. In jenem Jahr fielen Aktien und Anleihen gleichzeitig – ein historischer Einbruch, der das Vertrauen in die „heilige“ Portfolio-Kombination erschütterte. Die Ursache? Steigende Zinsen belasteten nicht nur Wachstumsaktien, sondern auch festverzinsliche Wertpapiere, deren Kurse unter Druck gerieten.
Was sich verändert hat: Drei strukturelle Brüche
- Niedrigzinsära und ihr Ende
Jahrelang lebten Anleger von der Vorstellung, Anleihen böten verlässliche Erträge. Doch nach der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken ist dieser Sicherheitsanker brüchig geworden. Der Zinsanstieg führt zu Kursverlusten – und schwächt die Schutzwirkung. - Inflation als Rückkehrer
Inflationsraten im Bereich von 6 % bis 8 % stellen die langfristige Kaufkraft klassischer Anlagen infrage. Anleihen mit festen Kupons verlieren in diesem Umfeld massiv an Attraktivität – reale Verluste sind programmiert. - Globale Instabilität und technologische Disruption
Ob geopolitische Spannungen, Lieferkettenrisiken oder technologische Umbrüche durch KI – die Märkte befinden sich in einem permanenten Stressmodus. Alte Korrelationen zwischen Assetklassen lösen sich zunehmend auf.
Larry Finks Gegenentwurf: 50/30/20
Angesichts dieser Entwicklungen propagiert Larry Fink ein neues Portfolio-Modell: 50 % Aktien, 30 % Anleihen, 20 % alternative Investments. Dazu zählen etwa Private Equity, Infrastruktur und Immobilien – also Anlageklassen, die nicht an der Börse gehandelt werden und potenziell stabilere Renditen bei Inflation versprechen.
Die Logik dahinter ist nachvollziehbar: Wer heute „echte“ Diversifikation will, muss über klassische Märkte hinausdenken. Private Märkte reagieren oft weniger volatil und sind weniger korreliert mit börsennotierten Vermögenswerten. Gleichzeitig bieten sie durch längere Kapitalbindung häufig attraktive Prämien.
Kritische Perspektive: Für wen ist das realistisch?
So innovativ Finks Vorschlag auch ist – er bleibt elitär. Die Mehrheit der Privatanleger hat weder Zugang noch Kapital, um substanzielle Investitionen in Private Markets zu tätigen. Fondsstrukturen, Mindestanlagesummen, eingeschränkte Liquidität und hohe Gebühren machen diese Anlageformen für viele unpraktikabel oder schlicht zu riskant.
Darüber hinaus ist der Umgang mit illiquiden Vermögenswerten eine Kunst für sich. Es fehlen Markttransparenz, Vergleichbarkeit und im Notfall die Möglichkeit, schnell Liquidität zu schaffen. Was für institutionelle Anleger mit Milliardenbudgets sinnvoll sein mag, kann für Sparer mit begrenztem Horizont zur Falle werden.
Fazit: 60/40 ist nicht tot – aber auch nicht mehr sakrosankt
Die Wahrheit liegt – wie so oft – zwischen den Extremen. Das klassische 60/40-Portfolio erfüllt in vielen Fällen noch immer seinen Zweck, vor allem bei langfristig orientierten Anlegern mit moderatem Risikoprofil. Doch es ist kein „One-size-fits-all“-Modell mehr. Wer heute sein Vermögen breit und robust aufstellen möchte, sollte das Prinzip hinterfragen – und möglicherweise ergänzen, nicht ersetzen.
Ein gut diversifiziertes Portfolio im Jahr 2025 wird wahrscheinlich mehrdimensionaler sein: liquide und illiquide Komponenten, regional breit gestreut, mit einer sinnvollen Beimischung alternativer Assets – sofern der Zugang und die Risikotragfähigkeit gegeben sind.
60/40 war gestern – aber seine Grundidee bleibt ein wichtiger Baustein im Werkzeugkasten moderner Geldanlage.