Ist eine Rezession in den USA unausweichlich?

Die Diskussion um eine mögliche Rezession in den Vereinigten Staaten gewinnt an Schärfe, doch eindeutige Beweise für einen bevorstehenden wirtschaftlichen Abschwung gibt es bislang nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Gemengelage aus widersprüchlichen Indikatoren, politischer Unsicherheit und spekulativen Marktreaktionen – vor allem infolge der eskalierenden Handelsspannungen.

1. Optimistische Stimmen: Wachstum unter Vorbehalt

Der CEO von JP Morgan, Jamie Dimon, warnt zwar vor Wachstumsverlangsamung durch Zölle, sieht aber noch keinen unausweichlichen Abschwung. Auch das reale Wirtschaftswachstum – etwa gemessen an den US-Beschäftigungszahlen im März (plus 228.000 Stellen) und dem Index der Dallas Fed – signalisiert weiterhin eine robuste Konjunktur. Die US-Wirtschaft wuchs Anfang April laut Wochenindikator noch mit über 2 % jährlich.

Selbst Präsident Trump zeigte sich jüngst zu Verhandlungen bereit, betonte jedoch, dass die Zölle bestehen bleiben sollen, solange das Handelsbilanzdefizit nicht beseitigt sei. Dies lässt zumindest theoretisch ein Fenster für Deeskalation offen.

2. Pessimistische Einschätzungen: Der Schatten der Zölle

Dem gegenüber stehen mahnende Stimmen, etwa von Goldman Sachs, die bei Inkrafttreten der angekündigten Zölle vom 9. April einen drastischen Anstieg der effektiven Zollbelastung um 20 Prozentpunkte prognostizieren – mit der Konsequenz: Rezessionswahrscheinlichkeit steigt deutlich. Auch Kalshi, ein Prognosemarkt, taxiert die Wahrscheinlichkeit für eine US-Rezession inzwischen auf 67 % – gegenüber 25 % noch Ende Februar.

3. Relevante Indikatoren im Überblick

a) Wohnungsbau

Wichtige Frühindikatoren wie Neubauverkäufe und Wohnungsbaustarts zeigten seit 2022 rückläufige Tendenzen – teilweise pandemiebedingt. Inzwischen ist jedoch wieder eine leichte Erholung zu beobachten. Kritisch wäre ein Rückgang der Neubauverkäufe um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahr – aktuell liegt dieser Wert bei –4 %. Noch kein Rezessionsalarm, aber ein Risikosignal.

b) Zinsstrukturkurve

Die inverse Zinsstrukturkurve – üblicherweise ein Frühindikator – hat sich normalisiert (10-jähriger vs. 2-jähriger US-Treasury spread: +0,33 %). Eine erneute Inversion könnte aber den Ausblick deutlich eintrüben.

c) Schwerlast-Lkw-Verkäufe

Der Absatz schwerer Lkw – ein bewährter Rezessionsindikator – ist zuletzt gesunken (403.000 SAAR im März, –12,1 % gegenüber Februar). Dies deutet auf eine gewisse Zurückhaltung im Güterverkehr hin.

d) Pkw-Verkäufe

Dagegen stiegen die Verkäufe von leichten Fahrzeugen deutlich – möglicherweise als Vorzieheffekt wegen der angekündigten Zölle.

e) Arbeitsmarkt

Die Sahm-Regel, ein arbeitsmarktbasierter Rezessionsindikator, wurde 2024 kurzzeitig ausgelöst. Die Erfinderin selbst relativierte allerdings die Aussagekraft angesichts struktureller Sondereffekte wie Arbeitskräftemangel, Pandemie und Einwanderung.

4. Fazit: Rezession nicht sicher, aber wahrscheinlich

Ob die USA tatsächlich in eine Rezession rutschen, bleibt offen. Zwar liefern einige Indikatoren Entwarnung, andere – insbesondere die drohende Eskalation des Handelskonflikts – sprechen für wachsende Risiken. Die wirtschaftspolitische Unsicherheit ist derzeit der zentrale Gefahrenherd.

Kritisch ist vor allem der Zeitfaktor: Je länger sich die Zolldrohungen halten oder umgesetzt werden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die noch vorhandenen konjunkturellen Rückenwinde nicht mehr ausreichen, um den Abschwung zu verhindern.

Die Gretchenfrage lautet also: Kommt es zu einem Kurswechsel in der Handelspolitik – oder schlägt das Pendel endgültig in Richtung Rezession aus? Bis dahin bleibt die Rezessionsuhr auf Recession Watch, aber noch nicht auf Recession Alarm.


Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater