Der Strategiewechsel bei Mercedes-Benz markiert einen einschneidenden Moment in der jüngeren Geschichte des Stuttgarter Konzerns. Drei Jahre nach dem ambitionierten Versuch, die Marke an der Spitze des Luxussegments zu positionieren, kehrt das Unternehmen wieder zu einem breiteren Marktansatz zurück. Die Entscheidung erfolgt still, aber nicht überraschend. Sie ist eine Reaktion auf rückläufige Absätze, hohe Konkurrenz im wichtigsten Markt China und eine Marge, die dem eigenen Anspruch nicht standhalten konnte.
Die frühere Formel „Marge vor Menge“ hat sich als riskant erwiesen. Während Modelle wie S-Klasse oder G-Klasse weiterhin hohe Begehrlichkeit erzeugen, war das Segment nicht groß genug, um Absatz- und Gewinnrückgänge zu kompensieren. Besonders in China, einst Wachstumsmotor, verlor Mercedes spürbar an Boden. Der Wettbewerb durch heimische Elektrohersteller hat das Preisniveau unter Druck gesetzt und die Nachfrage nach hochpreisigen europäischen Importen gebremst.
Der nun skizzierte Neustart sieht eine Rückkehr zu Premiumfahrzeugen in allen Preisklassen vor. Der Verzicht auf den Begriff „Luxus“ ist mehr als eine kosmetische Operation. Er steht für die Rückbesinnung auf eine Markenbreite, die Mercedes über Jahrzehnte stark gemacht hat. Ein Baustein dieser Neuorientierung ist die A-Klasse, deren Produktionsende ursprünglich für 2025 vorgesehen war. Nun wird sie bis 2027 weitergebaut und später durch ein neues Einstiegsmodell ersetzt. Die Fertigung wandert nach Ungarn, wo die Kosten signifikant niedriger liegen, was die Entscheidung zusätzlich begünstigt.
Parallel dazu erhöht Mercedes den Anteil der Fahrzeuge, die an Mietwagenflotten gehen – ein Geschäft, das traditionell volumenstark, aber margenschwach ist. Die Abkehr von der reinen Luxuslinie zeigt, dass der Konzern seine Position im internationalen Wettbewerb stabilisieren will, auch wenn dies den eigenen Premiumanspruch relativiert.
Für CEO Ola Källenius ist dies die zweite große strategische Korrektur in kurzer Zeit. Nach der Aufgabe der „Electric-Only“-Vision wirkt der erneute Kurswechsel wie eine späte Einsicht in eine veränderte Marktlogik. Dennoch erwarten Branchenkenner kein abruptes Ende seiner Amtszeit. Der Konzern steht unter Druck, gleichzeitig technologisch führend zu bleiben und die Kostenstrukturen zu optimieren. Dieser Spagat ist anspruchsvoll – und er wird die kommenden Jahre prägen.
