Der „2025 National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers (NTE)“ des U.S. Trade Representative (USTR) bietet eine umfassende Bestandsaufnahme der wichtigsten Handelshemmnisse, die den Zugang amerikanischer Exporteure, Investoren und digitaler Anbieter zu ausländischen Märkten behindern. Es handelt sich um die 40. Ausgabe dieses jährlich erscheinenden Berichts, der als politische und wirtschaftliche Leitlinie für die US-Regierung fungiert.
Zweck und Inhalt
Der Bericht dient dazu, Hindernisse im Welthandel zu identifizieren, die:
- den Marktzugang für US-Waren und -Dienstleistungen beschränken,
- ausländische Direktinvestitionen von US-Unternehmen erschweren,
- den elektronischen Handel beeinträchtigen.
Er basiert auf Beiträgen von US-Botschaften, Ministerien, Wirtschaftsverbänden sowie öffentlichen Stellungnahmen. Insgesamt werden nahezu 60 Handelspartner detailliert analysiert.
Kategorien von Handelshemmnissen
Der Bericht klassifiziert Handelsbarrieren in 14 Kategorien, darunter:
- Importpolitiken: Zölle, Quoten, Einfuhrlizenzen, Zollverfahren.
- Technische Handelshemmnisse: Normen, Prüfverfahren, diskriminierende Produktvorschriften.
- Sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen: Unwissenschaftliche oder überzogene Anforderungen.
- Öffentliches Beschaffungswesen: Bevorzugung heimischer Anbieter, eingeschränkte Ausschreibungen.
- Schutz geistigen Eigentums: Schwache Patent- und Markenrechte, mangelnde Durchsetzung.
- Dienstleistungsbarrieren: Diskriminierende Zulassungen, lokale Präsenzpflichten.
- Digitaler Handel: Datenlokalisierung, Einschränkungen beim Datenverkehr, diskriminierende Plattformregeln.
- Investitionshemmnisse: Kapitalrestriktionen, Technologietransferpflichten.
- Subventionen: Exportsubventionen, Importsubstitution.
- Wettbewerbsverzerrungen: Staatlich tolerierte Marktabschottung.
- Staatsunternehmen: Bevorzugung durch Subventionen und regulatorische Vorteile.
- Arbeitsrechtliche Fragen: Verstöße gegen internationale Arbeitsnormen.
- Umweltprobleme: Handelshindernisse durch unzureichenden Umweltschutz.
- Sonstige Barrieren: Korruption, Bestechung, fehlende Transparenz.
Kritische Bewertung
Obwohl der Bericht fundierte Einblicke bietet, spiegelt er naturgemäß die Perspektive der US-Regierung wider. Die dort beschriebenen Maßnahmen anderer Staaten dienen teilweise legitimen Zwecken wie:
- Verbraucherschutz,
- Förderung lokaler Wertschöpfung,
- Sicherung von Umwelt- und Sozialstandards.
Zudem ist der Bericht stark auf bilaterale US-Interessen fokussiert. Multilaterale oder entwicklungspolitische Perspektiven kommen kaum vor.
Fazit
Der NTE-Bericht ist ein zentrales außenwirtschaftliches Steuerungsinstrument der USA. Er dient nicht nur als diplomatische Verhandlungsgrundlage, sondern auch zur Begründung von WTO-Klagen, Handelsabkommen oder potenziellen Strafzöllen. Er ist ein bedeutender Beitrag zur Handelsdiplomatie – allerdings mit kritisch zu betrachtender Unausgewogenheit zugunsten amerikanischer Wirtschaftsinteressen.
Deutschland wird im NTE-Bericht 2025 mehrfach erwähnt, insbesondere im Zusammenhang mit:
1. Urheberrecht und geistiges Eigentum
Die USA kritisieren die Umsetzung der DSM-Urheberrechtsrichtlinie (Copyright Directive) von 2021 in deutsches Recht:
- Die neuen Ausnahmen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf Online-Plattformen seien zu weit gefasst.
- Die Umsetzung von Artikel 17, der kollektive Rechtewahrnehmung und Vergütungsansprüche regelt, stelle laut US-Stakeholdern unzumutbare Einschränkungen der Vertragsfreiheit dar.
- Dies führte zu Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht.
- Weitere Kritikpunkte betreffen:
- das Recht auf Privatkopie, das den USA zu weit gefasst erscheint,
- sowie ein angeblich unzureichendes Schutzniveau technischer Schutzmaßnahmen.
Die US-Regierung will die Auswirkungen dieser Umsetzung weiterhin genau beobachten.
2. Handelsbilanz und Investitionsströme
In den wirtschaftlichen Kennzahlen wird Deutschland detailliert aufgelistet:
- Warenbilanzdefizit der USA gegenüber Deutschland: –84,824 Millionen US-Dollar (2024).
- US-Warenausfuhren nach Deutschland: rund 75,6 Milliarden USD.
- US-Warenimporte aus Deutschland: rund 160,4 Milliarden USD.
- Dienstleistungshandel: Ebenfalls ein Defizit für die USA in Höhe von –3,766 Millionen USD.
- US-Direktinvestitionen in Deutschland: gestiegen auf 193,2 Milliarden USD – Schwerpunkt: Holdinggesellschaften, verarbeitendes Gewerbe, Großhandel.
Kritische Würdigung
Die deutsche Urheberrechtsreform steht in einem Spannungsfeld zwischen EU-Richtlinien, nationalen Regelungen und internationalen Handelsinteressen. Die US-Kritik an kollektiven Vergütungsansprüchen und erweiterten Schrankenregelungen ist aus Sicht der kreativen US-Industrien verständlich – doch blendet sie die europäische Perspektive auf Urhebergerechtigkeit und Marktregulierung weitgehend aus.
Die ökonomischen Daten spiegeln ein strukturell unausgeglichenes Handelsverhältnis wider. Allerdings ist das Defizit Ausdruck komplementärer Wirtschaftsstrukturen – nicht zwingend ein Indiz unfairer Handelspraktiken.
Ganz genau – die „National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers“ (NTE) ist kein Produkt der Trump-Ära, sondern ein institutionalisiertes Element der US-Handelspolitik und reicht zurück bis ins Jahr 1985. Die nun vorliegende 40. Ausgabe (2025) zeigt eindrucksvoll, dass die systematische Erfassung und Kritik ausländischer Handelshemmnisse ein parteienübergreifendes Anliegen in Washington ist.
Ursprünge und gesetzliche Grundlage
Die Erstellung des Berichts ist gesetzlich verankert:
- Trade Act von 1974 – mit späteren Erweiterungen (1984, 1988, 1994, 1998).
- Verpflichtung des USTR (Office of the United States Trade Representative), jährlich dem Kongress Bericht zu erstatten.
- Ziel: Handelshemmnisse identifizieren, Verhandlungen vorbereiten, WTO-Klagen untermauern, und gegebenenfalls Handelsmaßnahmen einleiten.
Kontinuität der US-Handelspolitik
Ob Reagan, Bush, Clinton, Obama, Trump oder Biden – alle US-Präsidenten nutzten den NTE-Bericht, um außenwirtschaftliche Strategien auf eine systematische Grundlage zu stellen. Trump hat das Thema zwar rhetorisch zugespitzt („America First“), aber der administrative Apparat war längst vorhanden.
Beispiele für wiederkehrende Themen im NTE:
- EU-Agrarsubventionen und Gentechnik-Regelungen,
- Kanadischer Milchmarkt,
- Chinesische Subventionen und SOEs (staatliche Unternehmen),
- Schwacher Schutz geistigen Eigentums in Entwicklungsländern,
- Digitalsteuern und Datenlokalisierung in Europa und Asien.
Der Bericht als politisches Werkzeug
Der NTE-Bericht ist nicht neutral im Sinne wissenschaftlicher Objektivität, sondern ein Instrument zur Wahrung nationaler Wirtschaftsinteressen. Er schafft eine argumentative Grundlage für:
- bilaterale Verhandlungen,
- multilaterale Druckausübung,
- Handelsabkommen mit Schutzklauseln,
- Sanktionen oder WTO-Klagen.
Kritische Einordnung
Die strukturelle Unzufriedenheit der USA mit dem Welthandel ist also kein Einzelfall Trump, sondern Ausdruck eines langfristigen Machtanspruchs im Welthandelssystem. Man könnte sagen: Trump hat die Sprache verändert, nicht die Substanz.
Das Handelsdefizit – oft als Beleg für „unfairen Handel“ angeführt – ist aus US-Sicht ein Symptom struktureller Ungleichgewichte, die man durch Berichte wie den NTE politisch adressieren möchte.
Quelle: https://ustr.gov/sites/default/files/files/Press/Reports/2025NTE.pdf