Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 24. Juni 2025 eine Entscheidung gefällt, die weit über das rechtsextreme Spektrum hinaus Wirkung entfaltet: Es hat das vom Bundesinnenministerium im Sommer 2024 ausgesprochene Verbot der Compact-Magazin GmbH aufgehoben. Der Versuch, ein als rechtsextrem eingestuftes Medium mit Mitteln des Vereinsrechts zu verbieten, ist damit endgültig gescheitert. Was juristisch zunächst als Sieg der Grundrechte gefeiert werden kann, wirft zugleich grundsätzliche Fragen nach der politischen Strategie im Umgang mit extremistischen Medien auf.
Die Begründung des Gerichts: Zwischen Rechtssicherheit und demokratischer Reifeprüfung
Im Zentrum der Entscheidung steht die grundgesetzlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit – ein Freiheitsversprechen, das auch für „Feinde der offenen Gesellschaft“ gilt, solange sie keine konkret nachweisbare Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung darstellen. Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass weder polemische noch verschwörungsideologische Inhalte per se ausreichen, um ein Vereinsverbot nach § 3 i. V. m. § 17 Vereinsgesetz zu rechtfertigen.
Besonders bemerkenswert ist die Differenzierung, die das Gericht vornimmt: Zwar sei Compact zweifelsfrei Träger und Multiplikator rechtsextremer Inhalte, doch diese seien nicht „prägend“ genug, um den Gesamtcharakter der Publikation als verfassungsfeindlich im Sinne des Vereinsrechts zu werten. Diese Hürde ist bewusst hoch angesetzt – aus rechtsstaatlicher Vorsicht, nicht aus politischer Sympathie.
Juristische Klatsche für das Innenministerium
Für das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD) ist das Urteil eine deutliche Ohrfeige. Das Verbot, medienwirksam als Schlag gegen die „geistige Brandstiftung“ der extremen Rechten verkauft, entpuppt sich nun als überdehntes Instrument autoritärer Symbolpolitik. Der Versuch, ein Medium durch das Vereinsrecht zum Schweigen zu bringen, wirkte von Anfang an juristisch fragwürdig – und wird nun durch das höchste deutsche Verwaltungsgericht als rechtswidrig kassiert.
Das Urteil ist in diesem Sinne auch ein Warnsignal an staatliche Organe, bei allem politischen Eifer rechtsstaatliche Maßstäbe nicht aus dem Blick zu verlieren. Wer ein Medium verbieten will, muss sehr genau zwischen verfassungsfeindlicher Gesinnung und verfassungswidrigem Handeln unterscheiden – und letzteres gerichtsfest belegen.
Der politische Diskurs: Meinungsfreiheit als Prüfstein liberaler Demokratien
Die gesellschaftliche Debatte ist erwartungsgemäß polarisiert. Während Vertreter der Pressefreiheit und liberaler Bürgerrechte das Urteil begrüßen, warnen andere vor einer Normalisierung rechtsextremer Narrative unter dem Schutzschirm der Meinungsfreiheit. Doch dieser Zwiespalt ist der Preis einer liberalen Demokratie: Nicht der Staat bestimmt die Grenzen des Sagbaren, sondern das Grundgesetz – und dies mit wohlüberlegter Zurückhaltung.
Compact bleibt damit Teil der publizistischen Landschaft – nicht, weil sein Inhalt demokratisch legitim wäre, sondern weil ein demokratischer Rechtsstaat sich weigert, mit autoritären Mitteln gegen Autoritarismus vorzugehen. Wer das für naiv hält, hat womöglich das Wesen des Grundgesetzes missverstanden.
Fazit: Ein notwendiger Dämpfer, aber kein Freibrief
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein juristisch konsistenter, wenn auch politisch unbequemer Befund: Das Grundgesetz schützt auch jene, die es bekämpfen – solange sie nicht zur konkreten Gefahr für seine Existenz werden. Das Verbot des Compact-Magazins war rechtlich nicht haltbar, mag man seinen Inhalt noch so sehr verachten.
Die demokratische Antwort auf extremistische Propaganda kann also nicht primär im Verbot liegen, sondern muss in politischer Bildung, zivilgesellschaftlicher Gegenrede und publizistischer Konkurrenz bestehen. Der Rechtsstaat hat gesprochen – jetzt ist die Demokratie gefragt.