Reshoring

Reshoring bezeichnet die Rückverlagerung von zuvor ins Ausland ausgelagerten Produktionsprozessen oder Dienstleistungen zurück ins Ursprungsland eines Unternehmens. Es handelt sich dabei um eine Umkehr des Trends zur Offshoring-Strategie, die über Jahrzehnte hinweg insbesondere aus Kostengründen populär war. Während Offshoring oft mit dem Ziel verbunden war, von niedrigeren Löhnen, laxeren Umweltvorgaben oder steuerlichen Vorteilen zu profitieren, zielt Reshoring auf die Rückgewinnung von Kontrolle, Qualität, Sicherheit und Liefertreue ab.

Begriffliche Abgrenzung und Varianten:
Reshoring ist ein Oberbegriff, unter dem verschiedene Rückverlagerungsformen subsumiert werden. Zwei wesentliche Unterkategorien sind:

  1. Backshoring: Die direkte Rückverlagerung in das Ursprungsland des Unternehmens, z. B. ein deutscher Maschinenbauer, der seine Produktion von China zurück nach Deutschland holt.
  2. Nearshoring: Die Verlagerung der Produktion in geografisch und kulturell näher gelegene Länder, oft innerhalb desselben Kontinents. Beispiel: Ein französisches Unternehmen, das die Fertigung von Asien nach Osteuropa verlagert.

Gründe für Reshoring:
Die Motive für Reshoring sind vielschichtig und spiegeln aktuelle geopolitische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen wider. Zu den wichtigsten Faktoren zählen:

  • Störung globaler Lieferketten: Die COVID-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, Engpässe in der Containerschifffahrt und Handelskonflikte (z. B. zwischen den USA und China) haben die Verwundbarkeit globaler Lieferketten deutlich gemacht.
  • Kostenangleichung: Lohnkosten in ehemaligen Billiglohnländern steigen, während Automatisierung und Robotik die Fertigung im Ursprungsland wirtschaftlicher machen.
  • Nachhaltigkeit und Umweltstandards: Kürzere Transportwege senken CO₂-Emissionen, gleichzeitig wächst der Druck durch Konsument:innen und Politik auf eine umweltgerechtere Produktion.
  • Sicherheitsaspekte und Schutz geistigen Eigentums: Besonders in der Hochtechnologie ist die Sorge vor Know-how-Abfluss ein treibender Faktor.
  • Just-in-Time-Produktion und Liefertreue: Unternehmen wollen flexibler agieren und Produktionsausfälle durch externe Schocks vermeiden.

Kritische Einordnung:
Trotz seiner populären Schlagkraft ist Reshoring kein Allheilmittel. Viele Unternehmen stoßen bei der Rückverlagerung auf strukturelle Hindernisse: Fachkräftemangel, hohe Energiekosten, regulatorische Hürden und fehlende industrielle Infrastruktur im Ursprungsland sind reale Herausforderungen. Zudem zeigt die empirische Evidenz, dass Reshoring zwar medial stark präsent ist, aber oft nur punktuell und selektiv erfolgt – etwa bei strategisch sensiblen Produkten wie Halbleitern oder Medizinprodukten.

Ein weiterer kritischer Aspekt betrifft die sozialen Auswirkungen im Ausland: Dort kann Reshoring zu Arbeitsplatzverlusten führen, was insbesondere in Entwicklungsländern gravierende soziale und wirtschaftliche Folgen haben kann.

Fazit:
Reshoring ist Ausdruck einer wachsenden ökonomischen Selbstbehauptung in einer multipolaren Weltwirtschaft. Der Begriff steht für eine Rückbesinnung auf regionale Resilienz, ohne zwangsläufig den Globalisierungsgedanken gänzlich infrage zu stellen. In der Praxis ist Reshoring oft eine strategische Entscheidung, die unter Abwägung ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Faktoren getroffen wird – nicht selten als Teil eines hybriden Modells zwischen Globalisierung und Regionalisierung.


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