Die Große Depression der 1930er Jahre ist eine der am intensivsten untersuchten wirtschaftlichen Krisen der Geschichte. Häufig wird das Smoot-Hawley-Zollgesetz von 1930 als einer der Hauptverursacher der Verschärfung dieser Krise dargestellt. Doch ein genauerer Blick auf die wirtschaftlichen Entwicklungen der 1920er Jahre zeigt, dass Smoot-Hawley eher eine fehlgeleitete Reaktion auf bereits bestehende Probleme war als deren Ursache. Dieser Artikel beleuchtet die wirklichen treibenden Kräfte hinter der Großen Depression und relativiert die Rolle des Zollgesetzes.
Die wirtschaftlichen Ursachen der Großen Depression
Die Wurzeln der Großen Depression liegen in den 1920er Jahren, als eine Deflationswelle die US-Wirtschaft erfasste. Diese wurde durch technologische Innovationen und Produktivitätssteigerungen ausgelöst, die zu einem Überangebot an Waren führten. Insbesondere die Landwirtschaft litt unter stark fallenden Preisen, da neue Technologien wie die Elektrifizierung und automatisierte Produktionsmethoden (z. B. in der Brotproduktion) die Kosten senkten. Diese Deflation traf auch den Immobiliensektor, insbesondere in Florida, wo eine spekulative Blase 1927 platzte – zwei Jahre vor dem Börsencrash von 1929.
Die Überproduktion und der dadurch verursachte Nachfragemangel führten zu Unterbeschäftigung und wirtschaftlicher Instabilität. Diese strukturellen Probleme waren bereits vor Smoot-Hawley vorhanden und machten die Krise unvermeidlich. Die Arbeitslosenquote stieg von 4,6 % im Jahr 1929 auf 8,9 % im Jahr 1930, noch bevor die Auswirkungen der neuen Zölle spürbar wurden.
Die Rolle von Smoot-Hawley
Das Smoot-Hawley-Zollgesetz erhöhte die Zölle auf importierte Waren, um die amerikanische Industrie und Landwirtschaft zu schützen. Es war eine Fortsetzung der protektionistischen Politik, die bereits 1922 mit dem Fordney-McCumber-Zollgesetz begann. Die Unterstützung für solche Maßnahmen kam von Industrie- und Agrarlobbys, die unter den niedrigen Preisen litten. Allerdings war Smoot-Hawley weniger eine Ursache der Krise als vielmehr eine verzweifelte Reaktion auf die bereits bestehende Deflation.
Während höhere Zölle die wirtschaftliche Lage verschärften, indem sie den internationalen Handel einschränkten, waren sie nicht der Hauptfaktor. Der globale Handelsrückgang war bereits im Gange, und andere Länder reagierten mit eigenen protektionistischen Maßnahmen, was die Krise verstärkte. Dennoch war der Einfluss von Smoot-Hawley begrenzt, da 65 % der importierten Waren zollfrei blieben und die Zollerhöhungen auf die restlichen 35 % nur etwa 10 % betrugen.
Roosevelts Währungsabwertung: Ein größerer Faktor
Ein oft übersehener Aspekt ist die Währungsabwertung unter Präsident Franklin D. Roosevelt. Durch die Abkehr vom Goldstandard und die Abwertung des Dollars erhöhten sich die Kosten für Importe effektiv stärker, als es Smoot-Hawley je hätte tun können. Herbert Hoover betonte in seinen Memoiren, dass diese Abwertung eine weitaus größere „Zollerhöhung“ darstellte. Zudem führten Roosevelts New-Deal-Politiken zu einer Liquidation von Schulden und Eigenkapital, was die wirtschaftliche Erholung weiter verzögerte. Zwischen 1935 und 1938 sanken die Pro-Kopf-Importe und -Exporte in den USA, was auf die regressiven Maßnahmen der Regierung zurückzuführen war.
Ein neuer Blick auf Protektionismus
Die progressive Geschichtsschreibung hat Smoot-Hawley oft als Sündenbock dargestellt, während andere Faktoren wie technologische Überproduktion und die Währungsabwertung unterbelichtet blieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten die USA eine Politik des freien Handels, die zunächst Wohlstand brachte, aber später Arbeitsplätze und industrielle Kapazitäten an andere Länder verlor. Heute wird die Rückkehr zu gezielten Zöllen, wie unter Präsident Donald Trump (Stand 2025), als Mittel zur Sicherung fairer Handelsbeziehungen gesehen, um amerikanische Arbeiter und Industrien zu schützen.
Fazit
Das Smoot-Hawley-Zollgesetz war kein Hauptauslöser der Großen Depression, sondern eine fehlgeleitete Maßnahme, die auf bereits bestehende wirtschaftliche Probleme reagierte. Die Deflation durch technologische Innovationen, der Nachfragemangel und die Währungsabwertung unter Roosevelt hatten weitaus schwerwiegendere Auswirkungen. Eine differenzierte Betrachtung der Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass Smoot-Hawley eher ein Symptom als eine Ursache der Krise war.