Das Supernormal Growth Model (auch: Mehrphasenmodell oder auf Englisch Multi-stage Dividend Discount Model, häufig als Variante des Dividend Discount Model, DDM) ist ein Bewertungsansatz in der Unternehmensbewertung, der davon ausgeht, dass Unternehmen nicht dauerhaft mit einer konstanten Rate wachsen. Vielmehr unterscheidet das Modell zwischen einer Phase mit überdurchschnittlichem („supernormalem“) Wachstum und einer anschließenden Phase mit stabilem, konstantem Wachstum. Es ist somit eine Weiterentwicklung des klassischen Gordon Growth Models (GGM), das nur eine ewige konstante Wachstumsrate unterstellt.
Grundidee des Modells
Die zentrale Annahme lautet: In der Anfangszeit kann ein Unternehmen deutlich schneller wachsen als der Markt (z. B. aufgrund technologischer Innovationen, Markteintrittsbarrieren oder First-Mover-Vorteilen). Diese Phase ist jedoch nicht dauerhaft, da Wettbewerber, Marktsättigung oder regulatorische Veränderungen langfristig für ein normalisiertes, nachhaltiges Wachstum sorgen.
Das Supernormal Growth Model segmentiert daher die Entwicklung der Dividendenzahlungen in zwei (oder mehrere) Wachstumsphasen:
- Supernormale Wachstumsphase (zeitlich begrenzt):
In dieser Periode wachsen die Dividenden mit hohen, variablen Wachstumsraten. Diese Phase dauert typischerweise 5 bis 10 Jahre. - Stabile Wachstumsphase (in der Regel ewig):
Nach der überdurchschnittlichen Phase wird angenommen, dass das Unternehmen mit einer konstanten, langfristig nachhaltigen Rate wächst – typischerweise in der Nähe der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate oder der Inflationsrate.
Formelischer Aufbau
Die Bewertung erfolgt, indem der Barwert der Dividenden in der supernormalen Phase einzeln berechnet und dann mit dem Barwert des Terminal Value (TV) – also des Unternehmenswerts ab Beginn der stabilen Phase – summiert wird.
Barwert = Σ (Dₜ / (1 + r)ᵗ) + TV / (1 + r)ⁿ
Dabei ist:
- Dₜ = Dividende im Jahr t
- r = Diskontierungszinssatz (z. B. Kapitalkosten)
- TV = Terminal Value = Dₙ₊₁ / (r − g)
- g = konstante Wachstumsrate in der ewigen Phase
- n = Anzahl der Jahre der supernormalen Phase
Vorteile des Modells
- Realitätsnäher: Berücksichtigt, dass Unternehmen gerade in frühen Phasen oft stark wachsen.
- Flexibilität: Ermöglicht differenzierte Bewertung über verschiedene Phasen.
- Bessere Abbildung junger oder dynamischer Unternehmen im Vergleich zum statischen Gordon-Modell.
Kritische Würdigung
Trotz seiner Plausibilität weist das Modell auch Schwächen auf:
- Hohe Prognoseunsicherheit: Die Schätzung der Dividenden in der supernormalen Phase ist spekulativ und anfällig für Fehleinschätzungen.
- Schwierige Parametrisierung: Die Annahmen zu Diskontsatz, Dauer der Phasen und Übergangswachstum sind entscheidend, aber oft schwer belastbar.
- Fokus auf Dividenden: Unternehmen, die keine Dividenden zahlen oder Gewinne reinvestieren (z. B. Tech-Firmen), können mit diesem Modell nicht sinnvoll bewertet werden.
Fazit
Das Supernormal Growth Model ist ein wichtiges Werkzeug in der finanzwirtschaftlichen Bewertung, das der Realität vieler Unternehmenslebenszyklen besser entspricht als einfache Modelle. Es erfordert jedoch fundierte Annahmen und sorgfältige Analyse, um seine Aussagekraft nicht durch überoptimistische oder unrealistische Erwartungen zu verzerren.