Symbolpolitik mit Nebenwirkungen
In Zeiten knapper Kassen und wachsender Anforderungen an die öffentliche Hand erscheinen vermeintlich einfache Lösungen attraktiv. Eine davon: die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertags. Auf den ersten Blick klingt das nach einem vernünftigen Schritt – mehr Arbeitstage, mehr Produktivität, mehr Staatseinnahmen. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Der Preis für diesen zusätzlichen Tag Arbeit ist hoch – gesellschaftlich, kulturell und ökonomisch komplexer als angenommen.
Rechenexempel mit begrenztem Nutzen
Ökonomisch betrachtet verspricht ein zusätzlicher Arbeitstag eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um rund 0,25 %. Das klingt nach viel – etwa 8 bis 11 Milliarden Euro an zusätzlicher Wertschöpfung. Doch diese Zahl täuscht. Der tatsächliche Effekt auf die öffentlichen Haushalte ist marginal und reicht nicht aus, um strukturelle Defizite zu beheben. Es handelt sich eher um eine symbolische Maßnahme, denn um eine wirtschaftspolitische Wende.
Denn: Die Gleichung „ein Arbeitstag mehr = mehr Wirtschaftsleistung“ ist zu einfach. Viele Branchen, etwa die Industrie, könnten davon profitieren. Doch in anderen Sektoren – Tourismus, Gastronomie, Freizeitwirtschaft – sind Feiertage umsatzstarke Tage. Dort bedeutet ihr Wegfall nicht Wachstum, sondern Verlust.
Belastung für die Gesellschaft
Noch gravierender sind die gesellschaftlichen Folgen. Feiertage sind mehr als arbeitsfreie Tage – sie sind kollektive Erholungsphasen, kulturelle Anker und soziale Begegnungsräume. Eine Reduktion dieser Pausen könnte sich negativ auf die psychische und physische Gesundheit der Arbeitnehmer auswirken. Studien zeigen, dass ständige Verfügbarkeit und verkürzte Erholungszeiten zu mehr Stress, höherem Krankenstand und langfristig zu Burnout führen können.
Besonders kritisch wird es, wenn es um kirchliche Feiertage geht. Ihre Abschaffung käme einer kulturellen Enteignung gleich. Für religiöse Gemeinschaften wären derartige Schritte nicht nur ein symbolischer Affront, sondern ein direkter Angriff auf die gelebte Glaubensfreiheit.
Föderale Grenzen und internationale Beispiele
Auch praktisch ist die Abschaffung eines Feiertags alles andere als trivial. In Deutschland liegt die Zuständigkeit bei den Bundesländern – was eine einheitliche Regelung nahezu unmöglich macht. Hinzu kommt die politische Brisanz: Wer einen Feiertag streicht, greift tief in die Lebenswirklichkeit der Menschen ein – und riskiert massiven gesellschaftlichen Widerstand.
Andere Länder zeigen, dass es auch anders geht. In Dänemark wurde die Abschaffung eines Feiertags mit einer proportionalen Lohnerhöhung verknüpft – ein Versuch, den sozialen Ausgleich zu wahren. In Deutschland hingegen fehlt bislang ein tragfähiges Konzept, wie ein solcher Schritt gerecht gestaltet werden könnte.
Alternativen: Flexibilität statt Verzicht
Statt Feiertage abzuschaffen, wäre ein modernes Arbeitszeitmodell denkbar. Etwa die Umwandlung gesetzlicher Feiertage in flexible „Freitage“, die individuell genommen werden können – angepasst an religiöse, kulturelle oder familiäre Bedürfnisse. Auch eine Reduktion von Überstunden oder die Förderung der Vier-Tage-Woche könnten produktiver sein als ein zusätzlicher Arbeitstag.
Fazit: Mehr Schaden als Nutzen
Die Abschaffung eines Feiertags mag kurzfristig messbare Effekte bringen. Doch sie greift in zentrale soziale und kulturelle Strukturen ein – und das bei begrenztem ökonomischem Gewinn. In einer Zeit, in der soziale Kohäsion und mentale Gesundheit zunehmend unter Druck stehen, wäre es das falsche Signal, Erholungszeiten zu kürzen, statt neue Formen des Arbeitens zu fördern.
Die Debatte über Feiertage sollte nicht isoliert geführt werden. Sie ist Teil einer größeren Diskussion darüber, wie wir arbeiten, leben und uns als Gesellschaft organisieren wollen. Und sie verlangt eines: mehr Tiefe als bloße Effizienzrechnungen.