Was ist ein Pivot-Punkt?

Pivot-Punkte sind ein weit verbreitetes Werkzeug in der technischen Analyse, das verwendet wird, um potenzielle Unterstützungs- und Widerstandsniveaus auf den Finanzmärkten zu bestimmen. Sie sind insbesondere bei Tradern beliebt, die kurzfristige Handelsstrategien verfolgen, da sie auf mathematischen Berechnungen basieren und eine schnelle Identifikation von Schlüsselmarken im Marktgeschehen ermöglichen.

Der Pivot Point ist der Punkt, an dem ein Markt von bärisch zu bullisch schwenkt.

Nachfolgend wird die Funktionsweise, die Berechnung und die Anwendung von Pivot-Punkten detailliert dargestellt.

1. Definition von Pivot-Punkten

Ein Pivot-Punkt ist ein mathematisch berechnetes Preisniveau, das auf der Basis von Hoch-, Tief- und Schlusskursen einer vorherigen Handelsperiode ermittelt wird. Dieses zentrale Niveau dient als Ausgangspunkt, um weitere Unterstützungs- und Widerstandsniveaus zu berechnen. Die Theorie hinter Pivot-Punkten besagt, dass der Markt oft an diesen Niveaus eine Kursreaktion zeigt, was sie zu potenziellen Zonen für Handelsentscheidungen macht.

2. Berechnung der Pivot-Punkte

Der zentrale Pivot-Punkt (P) wird mit der folgenden Formel berechnet:

[math]P = \frac{\text{Hoch} + \text{Tief} + \text{Schlusskurs}}{3}[/math]

Zusätzlich werden Unterstützungs- und Widerstandsniveaus (Support und Resistance) berechnet, die ausgehend vom Pivot-Punkt ermittelt werden:

Erste Widerstands- und Unterstützungsniveaus:

  • Widerstand 1 (R1): [math]R1 = (2 \cdot P) – \text{Tief}[/math]
  • Unterstützung 1 (S1):[math] S1 = (2 \cdot P) – \text{Hoch}[/math]

Zweite Widerstands- und Unterstützungsniveaus:

  • Widerstand 2 (R2): [math]R2 = P + (\text{Hoch} – \text{Tief})[/math]
  • Unterstützung 2 (S2): [math]S2 = P – (\text{Hoch} – \text{Tief})[/math]

Dritte Widerstands- und Unterstützungsniveaus (optional):

  • Widerstand 3 (R3): [math]R3 = \text{Hoch} + 2 \cdot (P – \text{Tief})[/math]
  • Unterstützung 3 (S3): [math]S3 = \text{Tief} – 2 \cdot (\text{Hoch} – P)[/math]

Die Berechnung basiert typischerweise auf den Kursdaten des Vortages (im Tageschart) oder der letzten abgeschlossenen Zeiteinheit in kürzeren Zeitrahmen.

Neben den klassischen Pivot-Punkten gibt es weitere Varianten, die auf unterschiedlichen Berechnungsansätzen basieren und von Tradern abhängig von ihrer Handelsstrategie bevorzugt genutzt werden. Fünf weitere Ansätze: klassisch, Fibonacci, Camarilla, Woodies und DeMarks. Diese unterscheiden sich vor allem in der Berechnung der Unterstützungs- und Widerstandsniveaus. Im Folgenden werden die genannten Varianten näher erläutert.

2.1 Klassische Pivot-Punkte

Die klassische Methode verwendet die bereits erläuterte Standardformel:

[math]P = \frac{\text{Hoch} + \text{Tief} + \text{Schlusskurs}}{3}[/math]

Die Unterstützungs- und Widerstandsniveaus werden auf Basis fixer Differenzen berechnet. Diese Methode ist einfach und universell anwendbar, weshalb sie häufig verwendet wird.

2.2 Fibonacci-Pivot-Punkte

Die Fibonacci-Methode baut auf der klassischen Methode auf, integriert jedoch Fibonacci-Retracement-Level. Die Unterstützungs- und Widerstandsniveaus werden wie folgt berechnet:

[math]R1 = P + 0.382 \cdot (\text{Hoch} – \text{Tief}) [/math]

[math]R2 = P + 0.618 \cdot (\text{Hoch} – \text{Tief}) [/math]

[math]R3 = P + (\text{Hoch} – \text{Tief})[/math]

Ähnlich werden S1, S2 und S3 berechnet, jedoch mit negativen Vorzeichen für die Multiplikation mit den Fibonacci-Verhältnissen. Diese Methode eignet sich besonders für Trader, die mit Fibonacci-Levels arbeiten.

2.3 Camarilla-Pivot-Punkte

Die Camarilla-Pivot-Punkte verwenden eine Formel, die auf einem festen Multiplikator basiert, um engere Unterstützungs- und Widerstandsniveaus zu berechnen. Die Formel lautet:

[math]R1 = Schlusskurs + (Hoch – Tief) \cdot 1.0833 [/math]

[math]S1 = Schlusskurs – (Hoch – Tief) \cdot 1.0833[/math]

Die höheren Widerstände und tieferen Unterstützungen (R2, R3, S2, S3) verwenden ebenfalls spezifische Multiplikatoren. Diese Methode wird vor allem von Intraday-Tradern genutzt, da sie engere Kursziele bietet.

2.4 Woodies Pivot-Punkte

Woodies Pivot-Punkte haben eine abweichende Berechnung des zentralen Pivot-Punkts:

[math]P = \frac{(\text{Hoch} + \text{Tief}) + (2 \cdot \text{Schlusskurs})}{4}[/math]

Die Formel gewichtet den Schlusskurs stärker. Unterstützungs- und Widerstandsniveaus werden ähnlich wie bei der klassischen Methode berechnet, jedoch basieren sie auf diesem gewichteten Pivot-Punkt. Diese Methode wird bevorzugt, wenn der Schlusskurs als besonders einflussreich angesehen wird.

2.5 DeMarks Pivot-Punkte

DeMarks Pivot-Punkte unterscheiden sich stark von den anderen Ansätzen. Die Berechnung hängt davon ab, ob der Schlusskurs über oder unter dem Eröffnungskurs liegt:

  • Wenn Schlusskurs < Eröffnungskurs: [math]X = \text{Hoch} + (2 \cdot \text{Tief}) + \text{Schlusskurs}[/math]
  • Wenn Schlusskurs > Eröffnungskurs: [math]X = (2 \cdot \text{Hoch}) + \text{Tief} + \text{Schlusskurs}[/math]
  • Wenn Schlusskurs = Eröffnungskurs: [math]X = \text{Hoch} + \text{Tief} + (2 \cdot \text{Schlusskurs})[/math]

Der Pivot-Punkt (P) wird dann berechnet als P=X/4P = X / 4, und die Unterstützungs- und Widerstandsniveaus ergeben sich durch andere spezifische Formeln. Diese Methode betont insbesondere den Einfluss des Eröffnungs- und Schlusskurses.

2.6 Unterschiede und Einsatzmöglichkeiten

Die Wahl der Pivot-Punkt-Methode hängt von der individuellen Handelsstrategie und den bevorzugten Marktbedingungen ab:

  • Klassisch: Für langfristige Strategien oder als generelle Orientierung.
  • Fibonacci: Besonders bei Märkten mit starker Trenddynamik nützlich.
  • Camarilla: Für kurzfristige Trader geeignet, die kleinere Kursbewegungen handeln.
  • Woodies: Für Trader, die den Schlusskurs stark gewichten.
  • DeMarks: Für spezialisierte Ansätze, bei denen die Eröffnung und der Schlusskurs entscheidend sind.

2.7 Kritische Betrachtung

Die Vielfalt der Methoden verdeutlicht, dass keine Methode universell überlegen ist. Jede Berechnungsweise hat Vor- und Nachteile, die von den Marktbedingungen und der Handelsweise abhängen. Trader sollten deshalb die Methode wählen, die ihre Strategie und ihre Risikobereitschaft am besten unterstützt. Die gleichzeitige Anwendung mehrerer Methoden kann zusätzlich helfen, starke Unterstützungs- und Widerstandsbereiche zu identifizieren, die von unterschiedlichen Modellen übereinstimmend angezeigt werden.

In der Praxis ist es wichtig, Pivot-Punkte stets mit anderen Indikatoren (z. B. gleitenden Durchschnitten, RSI oder MACD) zu kombinieren, um die Aussagekraft der Analyse zu erhöhen.

3. Anwendung von Pivot-Punkten

Pivot-Punkte dienen in der Praxis als Orientierungspunkte für die Marktentwicklung. Sie können wie folgt genutzt werden:

3.1. Unterstützungs- und Widerstandsniveaus

Trader verwenden die berechneten Pivot-Punkte, um mögliche Umkehrpunkte im Markt zu identifizieren. Wenn der Kurs sich dem Widerstand nähert, könnte eine Umkehr nach unten eintreten, während Unterstützungsniveaus als potenzielle Zonen für eine Umkehr nach oben gelten.

3.2. Breakout-Strategien

Pivot-Punkte werden auch genutzt, um Breakouts zu handeln. Ein Durchbruch über einen Widerstand oder unter eine Unterstützung wird als Signal für eine Fortsetzung der Bewegung interpretiert.

3.3. Intraday-Handel

Da Pivot-Punkte häufig auf kurzfristigen Kursbewegungen basieren, sind sie besonders für Intraday-Trader relevant, die schnell auf Marktveränderungen reagieren.

4. Vorteile von Pivot-Punkten

  1. Einfachheit der Berechnung: Pivot-Punkte sind leicht zu berechnen und erfordern nur grundlegende Kursdaten.
  2. Objektivität: Die Niveaus sind mathematisch festgelegt und daher nicht subjektiv interpretierbar.
  3. Vielseitigkeit: Sie können in nahezu jedem Markt und auf jedem Zeitrahmen angewendet werden.
  4. Effizienz: Pivot-Punkte bieten schnelle und klar definierte Entscheidungsgrundlagen für Trader.

5. Kritische Betrachtung

Obwohl Pivot-Punkte ein nützliches Werkzeug sein können, haben sie auch Einschränkungen:

  1. Keine Berücksichtigung fundamentaler Faktoren: Pivot-Punkte basieren rein auf historischen Kursdaten und berücksichtigen keine fundamentalen Einflüsse wie Nachrichten oder Wirtschaftsdaten.
  2. Zuverlässigkeit bei volatilen Märkten: In Märkten mit hoher Volatilität können Pivot-Punkte an Aussagekraft verlieren, da der Kurs abrupt durch die berechneten Niveaus hindurchbrechen kann.
  3. Subjektive Interpretation der Reaktionen: Obwohl die Berechnung objektiv ist, kann die Interpretation von Kursreaktionen an diesen Punkten subjektiv und fehleranfällig sein.

6. Fazit

Pivot-Punkte sind ein wertvolles Hilfsmittel in der technischen Analyse, das Tradern hilft, potenzielle Unterstützungs- und Widerstandsniveaus zu erkennen und Handelsstrategien darauf aufzubauen. Ihre Einfachheit und Effizienz machen sie zu einem beliebten Werkzeug, insbesondere für Intraday- und kurzfristige Strategien. Dennoch sollten sie nie isoliert verwendet werden, sondern in Kombination mit anderen Analysemethoden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Kritisches Denken und eine kontinuierliche Anpassung an die Marktbedingungen sind hierbei essenziell.


Anmerkung:

1. Selbsterfüllende Prophezeiung und Marktdynamik

Die Aussage, dass ein Werkzeug wie Pivot-Punkte umso zutreffender ist, je mehr Marktteilnehmer es verwenden, basiert auf der Idee, dass kollektives Verhalten den Markt beeinflusst. Dies beruht auf folgenden Annahmen:

  1. Hohe Sichtbarkeit und Akzeptanz: Pivot-Punkte sind in vielen Trading-Plattformen, wie beispielsweise investing.com, standardmäßig verfügbar. Diese Zugänglichkeit und die breite Anwendung führen dazu, dass viele Marktteilnehmer ähnliche Unterstützungs- und Widerstandsniveaus im Blick haben.
  2. Handelsentscheidungen basieren auf gemeinsamen Referenzpunkten: Wenn eine große Anzahl von Tradern ihre Kauf- oder Verkaufsentscheidungen an Pivot-Punkten orientiert, verstärkt dies die Relevanz der berechneten Niveaus. Beispielsweise könnten viele Händler bei einem Widerstandsniveau wie R1 Short-Positionen eröffnen, wodurch der Kurs tatsächlich abprallt, auch wenn dies rein fundamental nicht gerechtfertigt ist.
  3. Feedback-Loop: Der Effekt wird verstärkt, wenn Händler im Nachhinein feststellen, dass die Kursbewegung tatsächlich an den Pivot-Punkten reagiert hat. Dies stärkt ihr Vertrauen in die Methode und führt zu einem langfristigen, wiederholten Einsatz.

2. Grenzen der Selbsterfüllung

Trotz dieser Dynamik gibt es wesentliche Einschränkungen:

  1. Heterogenität der Marktteilnehmer: Nicht alle Akteure verwenden Pivot-Punkte oder handeln ausschließlich auf Basis technischer Indikatoren. Institutionelle Anleger, die oft mit größeren Volumina operieren, könnten ihre Entscheidungen auf fundamentale Daten, Algorithmen oder andere Strategien stützen, was die Effektivität von Pivot-Punkten in bestimmten Szenarien verringert.
  2. Marktvolatilität und externe Einflüsse: Bei Ereignissen wie Zinsentscheidungen, geopolitischen Krisen oder anderen makroökonomischen Schocks verlieren technische Indikatoren wie Pivot-Punkte oft an Bedeutung, da fundamentale Nachrichten die Marktbewegungen dominieren.
  3. Marktsättigung und Kontrarstrategien: Je mehr Trader auf dieselben Niveaus achten, desto anfälliger wird der Markt für Manipulationen. Beispielsweise könnten große Akteure (Market Maker) bewusst den Kurs durch Widerstände oder Unterstützungen treiben, um Stop-Loss-Orders auszulösen und davon zu profitieren.
  4. Unterschiedliche Interpretationen der Niveaus: Obwohl Pivot-Punkte objektiv berechnet werden, können Händler unterschiedliche Zeitrahmen oder Methoden (z. B. Fibonacci, Camarilla) verwenden, was zu Abweichungen in den erwarteten Kursreaktionen führen kann. Dadurch könnte die „kollektive Wirkung“ abgeschwächt werden.

3. Psychologie der Masse im Trading

Die Wirksamkeit von Pivot-Punkten hängt also nicht nur von ihrer mathematischen Grundlage, sondern auch von psychologischen Faktoren ab:

  1. Kognitive Verzerrung: Händler neigen dazu, in Marktbewegungen Muster zu erkennen, die ihre vorgefassten Meinungen bestätigen. Dies kann dazu führen, dass Pivot-Punkte als effektiver wahrgenommen werden, als sie es tatsächlich sind.
  2. Herdenverhalten: Besonders unerfahrene Händler orientieren sich häufig an allgemein bekannten Konzepten wie Pivot-Punkten. Dies verstärkt kurzfristig die Marktdynamik um diese Niveaus.
  3. Ankereffekt: Die festgelegten Pivot-Niveaus dienen als psychologische Ankerpunkte. Selbst wenn der Markt nicht exakt an einem solchen Punkt reagiert, könnten Kursbewegungen in der Nähe dieser Niveaus von Tradern als Bestätigung wahrgenommen werden.

4. Fazit der kritischen Erweiterung

Pivot-Punkte sind nicht nur mathematische Konstrukte, sondern werden durch kollektives Verhalten der Marktteilnehmer relevant. Ihre Aussagekraft wird durch die psychologische Akzeptanz und das Vertrauen der Händler verstärkt, was sie zu einem Phänomen macht, das sich selbst bestätigt.

Allerdings ist dies keine Garantie für langfristige Verlässlichkeit. Pivot-Punkte funktionieren am besten in Märkten mit hoher Liquidität und relativ stabilen Bedingungen, während sie in Phasen extremer Volatilität oder bei stark fragmentierten Marktteilnehmern an Relevanz verlieren können. Trader sollten daher stets ein Bewusstsein für die Grenzen der Methode entwickeln und sie mit anderen Ansätzen kombinieren, um fundierte Handelsentscheidungen zu treffen.


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