Weighted Alpha

Dieses Maß dient zur Messung, wie stark sich der Kurs einer Aktie in den letzten zwölf Monaten verändert hat, wobei neuere Kursbewegungen stärker gewichtet werden als ältere.

Konkret:

  • Alpha bezeichnet in der Finanzanalyse allgemein die Überrendite einer Anlage gegenüber einem Vergleichsmaßstab (z. B. Index).
  • Das Weighted Alpha (gewogenes Alpha) wird hier jedoch nicht im klassischen Sinne verwendet, sondern ist eine Kennzahl von Anbietern wie Barchart.com. Sie zeigt, wie stark ein Wertpapier über ein Jahr gestiegen oder gefallen ist, wobei Bewegungen der jüngeren Vergangenheit eine größere Bedeutung bekommen.
  • Eine Aktie mit einem sehr hohen positiven Weighted Alpha ist also in den letzten 12 Monaten stark gestiegen – und zwar vor allem in den letzten Wochen und Monaten.

Kritisch ist dabei: Ein hohes Weighted Alpha zeigt lediglich vergangene Kursstärke, nicht zwingend zukünftiges Potenzial. Solche Listen fördern Momentum-Strategien – man setzt darauf, dass Gewinner weiterhin Gewinner bleiben. Doch fundamentale Kriterien (Gewinne, Cashflow, Verschuldung, Marktstellung) bleiben dabei oft außen vor. Der Kauf aufgrund einer reinen Momentum-Kennzahl ist spekulativ und anfällig für plötzliche Trendwenden.

Die Berechnung des Weighted Alpha im Detail

Die Kennzahl wurde von Barchart.com entwickelt und ist keine klassische Finanzkennzahl wie KGV oder Beta, sondern ein proprietärer Indikator zur Messung der Kursdynamik über ein Jahr. Die Grundidee: Preisveränderungen jüngerer Zeiträume sollen stärker ins Gewicht fallen als ältere.

1. Grundprinzip

  • Betrachtet wird die prozentuale Veränderung einer Aktie über die letzten 12 Monate.
  • Dabei werden drei Zeitfenster berücksichtigt:
    • 1 Jahr (52 Wochen)
    • 9 Monate (39 Wochen)
    • 6 Monate (26 Wochen)
  • Den kürzeren Zeiträumen wird ein höheres Gewicht gegeben, da sie die aktuelle Dynamik besser widerspiegeln.

2. Berechnungsformel (vereinfacht)

Das Weighted Alpha setzt sich aus gewichteten prozentualen Kursveränderungen zusammen:

[math]\text{Weighted Alpha} = \frac{ (1J \times 0{,}25) + (9M \times 0{,}35) + (6M \times 0{,}40) }{1}[/math]

  • 1J = Kursänderung über 12 Monate
  • 9M = Kursänderung über 9 Monate
  • 6M = Kursänderung über 6 Monate
  • Die Gewichtung ist so gewählt, dass die jüngste Kursentwicklung (6 Monate) fast die Hälfte des Wertes bestimmt.

3. Beispiel

Nehmen wir an, eine Aktie hat sich wie folgt entwickelt:

  • +60 % in 12 Monaten
  • +50 % in 9 Monaten
  • +40 % in 6 Monaten

Dann ergibt sich:

[math]Weighted Alpha = (60 \times 0{,}25) + (50 \times 0{,}35) + (40 \times 0{,}40) =15+17,5+16=48,5= 15 + 17{,}5 + 16 = 48{,}5[/math]

Das Weighted Alpha beträgt also 48,5.

4. Interpretation

  • +50 bis +100: Aktie hat stark zugelegt, gilt als „stark bullisch“.
  • 0 bis +50: Aktie im Aufwärtstrend, aber weniger dynamisch.
  • Negativ: Aktie hat verloren, je negativer, desto stärker der Abwärtstrend.

5. Kritik

  • Rein vergangenheitsbezogen: Das Weighted Alpha sagt nichts über zukünftige Kursentwicklungen.
  • Momentum-Bias: Es bevorzugt Aktien, die zuletzt stark gestiegen sind. Dies kann in Trendphasen vorteilhaft sein, aber in Seitwärts- oder Korrekturphasen gefährlich.
  • Keine Fundamentalanalyse: Gewinne, Umsätze oder Bilanzqualität bleiben völlig unberücksichtigt.

Im Grunde ist es ein Momentum-Indikator, der auf „Trendfolge“ setzt – er sagt: „Kaufe die Gewinner von gestern, sie könnten auch morgen gewinnen.“

Wahrscheinlichkeit, Statistik und Spekulation

1. Was sagt das Weighted Alpha aus?

Ein hohes Weighted Alpha zeigt, dass eine Aktie in den letzten Monaten und dem letzten Jahr überdurchschnittlich gestiegen ist – also ein klarer Momentum-Titel. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Aktie auch in den kommenden Wochen weiter steigt, ist höher, wenn die Marktbedingungen gleich bleiben (z. B. bullischer Gesamtmarkt, gute Branchenstimmung, Liquiditätszuflüsse).

2. Statistische Betrachtung – Momentum-Effekt

In der Kapitalmarktforschung gibt es den bekannten Momentum-Effekt:

  • Aktien, die in der Vergangenheit überdurchschnittlich gestiegen sind, tendieren dazu, kurzfristig (3–12 Monate) weiter zu steigen.
  • Studien (z. B. Jegadeesh & Titman, 1993) zeigen, dass Momentum-Strategien über Dekaden hinweg im Durchschnitt Überrenditen erzielt haben.
  • Aber: Diese Effekte sind zyklisch. In Bärenmärkten oder bei abrupten Trendwechseln brechen sie zusammen.

Man könnte also vorsichtig sagen: Kurz- bis mittelfristig besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass „Gewinneraktien“ weiter steigen.

3. Risiken und Grenzen

  • Trendbrüche: Je stärker eine Aktie gestiegen ist, desto anfälliger wird sie für Gewinnmitnahmen.
  • Bewertung: Oft sind diese Aktien bereits sehr hoch bewertet (hohe KGVs, Kurs-Umsatz-Verhältnisse). Das erhöht das Rückschlagrisiko.
  • Marktumfeld: Ein Zinsanstieg, geopolitische Schocks oder eine Rezession können Momentum sofort beenden.
  • Survivorship Bias: Man sieht in den Listen nur die „Gewinner“, nicht die vielen Aktien, die zuvor hohe Werte hatten und dann abgestürzt sind.

4. Wahrscheinlichkeits-Einschätzung

Eine exakte Prozentzahl lässt sich nicht seriös angeben – Aktienmärkte sind nicht deterministisch. Man kann aber folgende Faustregel auf Basis empirischer Forschung annehmen:

  • Momentum-Aktien haben eine überdurchschnittliche Chance (im Bereich von 55–65 % statt reiner 50/50) kurzfristig weiter zu steigen.
  • Mittel- bis langfristig (über ein Jahr hinaus) gleichen sich diese Effekte jedoch oft aus. Dann übernehmen wieder fundamentale Faktoren (Gewinne, Cashflow, Wettbewerbsposition).

5. Fazit

Das Weighted Alpha ist ein nützlicher Indikator, um kurzfristig dynamische Aktien zu identifizieren. Aber es ersetzt weder eine Fundamentalanalyse noch schützt es vor Trendbrüchen. Wer danach handelt, spekuliert im Wesentlichen auf die Fortsetzung eines Trends – eine funktionierende, aber riskante Strategie.


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