1. Zentrale Fakten
1.1 Höhe der Zolleinnahmen
- Nach Angaben des Weißen Hauses haben die USA seit Januar 2025 mehr als 235 Mrd. US-Dollar an Zöllen eingenommen.
- Diese Zahl wurde öffentlichkeitswirksam in einem Weihnachts-Livestream des Weißen Hauses präsentiert.
- Zuvor hatte die US-Grenzschutzbehörde von rund 200 Mrd. US-Dollar gesprochen (Zeitraum: 20. Januar bis 15. Dezember).
- Die ursprünglich von Finanzminister Scott Bessent genannte Zielmarke von 300 Mrd. US-Dollar bis Jahresende wurde damit nicht erreicht.
1.2 Einordnung im Fiskaljahr
- Im US-Fiskaljahr 2025 (1.10.2024–30.9.2025) beliefen sich die Zolleinnahmen auf 195 Mrd. US-Dollar, nach 77 Mrd. US-Dollar im Fiskaljahr 2024.
- Der starke Anstieg ist damit statistisch belegt, allerdings abhängig von der gewählten Vergleichsbasis (Kalenderjahr vs. Fiskaljahr).
2. Wirtschaftliche Entwicklung der USA
2.1 Wachstum im dritten Quartal 2025
- Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im dritten Quartal hochgerechnet um 4,3 %, deutlich stärker als von Ökonomen erwartet (Prognose: ca. 3,3 %).
- Treiber des Wachstums:
- steigende Konsumausgaben (+3,5 %)
- Vorzieheffekte durch auslaufende E-Auto-Steuergutschriften
- geringere Importe infolge der Zölle
- hohe Investitionen im Zusammenhang mit dem KI-Boom
- OECD hob daraufhin ihre Wachstumsprognose für 2025 auf 2,0 % an.
2.2 Soziale Gegenperspektive
- Trotz makroökonomisch starker Zahlen profitieren viele Haushalte nicht:
- einkommensschwache Gruppen leben laut Bank-of-America-Studie „von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck“
- höhere Ausgaben für Lebensmittel, geringere für Konsum und Dienstleistungen
- Ökonomen warnen, dass sich das starke Wachstum nicht im vierten Quartal fortsetzen dürfte.
3. Politische und rechtliche Dimension
- Die Zollpolitik wird derzeit vom Obersten Gerichtshof der USA überprüft.
- Kernfrage: Durfte sich die Regierung auf ein Notstandsgesetz berufen, um umfassende Zölle gegen zahlreiche Handelspartner (u. a. EU) zu verhängen?
- Im Falle einer Niederlage drohen Rückzahlungen bereits vereinnahmter Zölle, was die präsentierten Einnahmen nachträglich relativieren würde.
4. Kritische Gesamtbewertung
- Politische Inszenierung:
Die Kommunikation der Zolleinnahmen (Livestream, Animationen, Musik) deutet klar auf propagandistische Nutzung hin. Die Zahlen sind real, ihre Präsentation aber selektiv und stark politisiert. - Ökonomische Ambivalenz:
Zölle tragen kurzfristig zu Staatseinnahmen und rechnerischem Wachstum bei (durch geringere Importe), wirken jedoch zugleich preistreibend und belasten Konsumenten. - Verteilungsproblem:
Das Wachstum ist asymmetrisch verteilt: Makrodaten signalisieren Stärke, während ein erheblicher Teil der Bevölkerung real unter Kaufkraftdruck steht. - Rechtsunsicherheit:
Die noch ungeklärte verfassungsrechtliche Lage macht einen Teil der Einnahmen potenziell reversibel – ein Aspekt, der in der politischen Erfolgserzählung kaum berücksichtigt wird.
Kurzfazit
Die USA verzeichnen historisch hohe Zolleinnahmen und ein überraschend starkes Wirtschaftswachstum. Beides wird von der Regierung als Erfolg der Zollpolitik dargestellt. Diese Interpretation ist jedoch ökonomisch verkürzt, sozial unausgewogen und rechtlich nicht abschließend gesichert.
Im Folgenden eine Übersicht über die weiteren Versprechen, die Donald Trump im Zusammenhang mit Zolleinnahmen gemacht hat. Wichtig ist vorab: Es existiert kein konsistenter Finanzierungsplan, sondern eine Reihe politischer Zusagen, die oft situativ, rhetorisch zugespitzt und teils widersprüchlich formuliert wurden.
1. Direkte Entlastung der Bevölkerung
a) Weitere Direktzahlungen („Checks“)
Neben den oft zitierten 2.000 Dollar pro Familie stellte Trump wiederholt in Aussicht:
- „rebates“ oder „dividends“ aus Zolleinnahmen
- steuerähnliche Rückzahlungen an „working Americans“
Kritik:
- Keine klare Definition von Anspruchsberechtigten
- Keine zeitliche Begrenzung
- Keine Abgrenzung zu bestehenden Sozial- oder Steuersystemen
Politisch wirkungsvoll, fiskalisch unscharf.
b) Steuersenkungen (Ersatzfinanzierung durch Zölle)
Trump argumentierte mehrfach, Zölle könnten:
- Einkommenssteuern senken oder ersetzen
- insbesondere für Mittel- und Unterschicht
Teilweise ging die Rhetorik sogar so weit wie:
„Tariffs instead of taxes“
Kritische Einordnung:
- Einkommensteuern sind progressiv, Zölle regressiv
- Haushalte mit niedrigerem Einkommen zahlen relativ mehr über Konsumpreise
- Zölle reichen bei weitem nicht, um das US-Steuersystem zu ersetzen
Ökonomisch widersprüchlich, sozial unausgewogen.
2. Grenz- und Sicherheitspolitik
a) Grenzsicherung und Mauerbau
Trump stellte erneut in Aussicht, Zolleinnahmen zu nutzen für:
- Ausbau der Grenzinfrastruktur
- Abschiebungslogistik
- zusätzliche Grenzbeamte
Problem:
- Grenzsicherung ist ein dauerhaftes Budgetproblem
- Zölle sind volatil
- Zweckbindung existiert rechtlich nicht automatisch
Kurzfristig finanzierbar, langfristig ungeeignet.
b) Kampf gegen Drogen (Fentanyl)
Zolleinnahmen sollten laut Trump auch verwendet werden für:
- verstärkte Grenzkontrollen
- technische Überwachung
- Strafverfolgung im Zusammenhang mit Fentanyl
Einordnung:
- Das Problem ist real
- Der Zusammenhang mit Zöllen ist jedoch indirekt
- Experten sehen größere Wirkung in Gesundheits- und Präventionspolitik
Politisch anschlussfähig, aber kein klarer Finanzierungszusammenhang.
3. Industrie- und Wirtschaftspolitik
a) Reindustrialisierung der USA
Trump versprach, Zolleinnahmen einzusetzen für:
- Förderung heimischer Produktion
- Unterstützung „strategischer Industrien“
- Rückverlagerung von Arbeitsplätzen
Widerspruch:
- Zölle sollen eigentlich Marktverhalten lenken, nicht Einnahmen generieren
- Wenn Zölle „wirken“, sinken langfristig die Einnahmen
- Subventionen aus Zolleinnahmen verzerren zusätzlich den Markt
Ziel und Finanzierungsquelle widersprechen sich strukturell.
b) Infrastruktur (unspezifisch)
Gelegentlich erwähnte Trump, dass Zolleinnahmen helfen könnten bei:
- Straßen
- Brücken
- Industrieparks
Auffällig:
- Keine konkreten Programme
- Keine Beträge
- Keine Priorisierung
Klassisches „catch-all“-Versprechen ohne Ausarbeitung.
4. Staatsfinanzen und Schulden
a) Defizitreduzierung
Trump deutete mehrfach an, Zölle könnten helfen:
- das Haushaltsdefizit zu senken
- „China und andere zahlen lassen“
Faktencheck:
- US-Defizite liegen im Billionenbereich
- Selbst 235 Mrd. USD sind dafür marginal
- Frühere Trump-Jahre brachten steigende Defizite trotz Zöllen
Rhetorisch, nicht realistisch.
5. Zentrale innere Widersprüche
Die Versprechen kollidieren miteinander:
- Geld auszahlen
- Steuern senken
- Defizit reduzieren
- Industrie subventionieren
- Sicherheit ausbauen
Ein und dieselbe Einnahmequelle kann nicht alles gleichzeitig leisten.
Gesamtbewertung
Was Trump versprach:
- Vieles, für viele, gleichzeitig
Was fehlt:
- Priorisierung
- Haushaltslogik
- Nachhaltigkeit
- rechtliche Absicherung
Politisch betrachtet:
- Die Zölle dienen als flexibles Narrativ
- weniger als konkretes Finanzierungsinstrument
Kurzfazit
Trump behandelte Zolleinnahmen nicht als begrenzte Haushaltsposten, sondern als politisch frei verfügbaren Symboltopf. Die Versprechen sind untereinander unvereinbar und ökonomisch größtenteils nicht tragfähig.
Wenn du möchtest, können wir als nächsten Schritt:
- eines der Versprechen (z. B. Steuersenkung oder Industriepolitik) konkret durchrechnen, oder
- vergleichen, wie frühere US-Regierungen Zolleinnahmen tatsächlich verwendet haben.
