Merz und seine Position zur Schuldenpolitik

Im Dialog: Michael Hirz im Gespräch mit Friedrich Merz am 08.07.2016:

Merz’ frühere Haltung (2016)

Wie du angegeben hast, lautete Merz’ Position 2016 im Wesentlichen:

  • Niedrige Staats- / Staatsverschuldung sei gleichbedeutend mit niedriger Arbeitslosigkeit; hohe Schulden führten zu hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Schwäche.
  • Er kritisierte Länder mit hoher Schuldenaufnahme (insbesondere in Südeuropa) scharf, insbesondere wenn sie fehlende Strukturreformen mit günstigen Zinsen kompensierten.
  • Er sah in exzessiver Verschuldung — auch innerhalb der Eurozone — ein zentrales Problem, und lehnte Rettungspakete bzw. weitere Hilfen für hochverschuldete Staaten ab.
  • Er machte starke Haushalts- und Schulden-Disziplin zum Grundprinzip; Transfers und Umverteilung wurden kritisch gesehen.

In Summe: strikte, ordoliberale, schuldenkritische Linie mit Fokus auf Stabilität und Eigenverantwortung.

Merz’ heutige Position als Bundeskanzler (2025)

Seit seinem Regierungsantritt hat Merz diese Linie deutlich revidiert — mit folgenden zentralen Merkmalen:

  • Er hat eine umfangreiche Reform der Schuldenregeln durchgesetzt: Die bisherige Schuldenbremse wurde durch eine Ausnahmeregel für Verteidigungs- und Infrastruktur-Ausgaben angepasst. Damit sind deutlich höhere Neuverschuldungen möglich.
  • Er initiierte ein Paket mit einem Sondervermögen von rund 500 Mrd. Euro für Infrastruktur und Modernisierung. Damit wird der Staat wieder verstärkt schuldenfinanziert investieren.
  • Begründung: Angesichts geopolitischer Risiken (z. B. Krieg in der Ukraine, wachsende internationale Instabilität) und wirtschaftlicher Herausforderungen sei nun Investitions-, Modernisierungs- und Verteidigungsausgaben auf Pump notwendig — er spricht von einer realpolitisch erzwungenen „Kehrtwende“.
  • Merz selbst bezeichnet seinen Kurswechsel als notwendig, um Deutschland handlungsfähig zu halten.

In Summe: eine Abkehr von strikter Schuldenvermeidung — hin zu gezielter Neuverschuldung zur Finanzierung staatsseitiger Investitionen und Stabilisierung nationaler Sicherheit und Infrastruktur.

Der große Rückzieher des Friedrich Merz

Es ist schon erstaunlich, wie ein Mann, der jahrelang den harten Kurs gegen hohe Staatsschulden predigte, heute im Kanzleramt sitzt und genau das tut, was er früher anderen vorgeworfen hat, und auch wenn Politik sich ändern muss, wenn die Welt sich ändert, bleibt ein schaler Nachgeschmack, weil man sich fragt, ob Merz damals wirklich an seine strengen Prinzipien glaubte oder ob sie nur als politisches Werkzeug dienten, um sich vom vermeintlich fahrlässigen Schuldenmachen der anderen abzusetzen, und genau hier liegt das Problem, denn wer sich einst als eiserner Wächter der Haushaltsdisziplin inszenierte und nun Milliarden in neue Kredite steckt, muss sich gefallen lassen, dass seine Glaubwürdigkeit auf dem Prüfstand steht, und da kann er noch so oft betonen, dass die Zeiten eben härter geworden sind und dass Deutschland investieren müsse, um nicht den Anschluss zu verlieren, weil diese Erklärungen eher wie eine nachgereichte Rechtfertigung wirken als eine echte Überzeugung, und so bleibt das Gefühl, dass Merz von der Realität überrollt wurde und nicht, dass er die Realität mit klarem Blick gestaltet hätte.

Man könnte sagen, es sei doch normal, dass ein Kanzler anders handeln muss als ein Oppositionspolitiker, aber diese Ausrede wirkt zu billig und vor allem zu bequem, denn wer jahrelang anderen Staaten mangelnde Haushaltsdisziplin vorgehalten hat, wer populäre Sprüche über niedrige Schulden und niedrige Arbeitslosigkeit abfeuerte, wer den Südländern vorwarf, sie lebten über ihre Verhältnisse, und wer sogar öffentlich sagte, er hätte dem Euro vielleicht nicht zugestimmt, wenn er von der späteren Verschuldung gewusst hätte, der kann nicht einfach heute das Gegenteil tun, ohne wenigstens offen über diesen Bruch zu sprechen, und genau diese Offenheit fehlt, obwohl sie dringend nötig wäre, weil Vertrauen nicht durch kluge Formulierungen wächst, sondern durch Ehrlichkeit und Konsequenz.

Viele Bürger fühlen sich heute an der Nase herumgeführt, denn wer einst so streng und moralisch aufgeladen argumentierte, sollte klare Antworten geben, warum diese moralische Haltung plötzlich nicht mehr gilt, denn die Probleme sind nicht über Nacht aufgetaucht, die internationalen Krisen sind nicht überraschend vom Himmel gefallen, und der Zustand der Infrastruktur oder der Bundeswehr ist seit Jahren bekannt, und trotzdem wurde der Schuldenkurs erst gedreht, als Merz selbst Verantwortung tragen musste, und genau das macht misstrauisch, weil es wirkt, als sei der Umstieg nicht aus Einsicht geschehen, sondern aus politischer Not und politischer Angst und politischem Kalkül und nicht, weil Merz plötzlich ein neues Verständnis von Staat, Markt und Verantwortung entwickelt hätte.

Der neue Kurs mag im Ergebnis sogar sinnvoll sein, denn ein Land, das sich auf Dauer kaputtspart, verliert seine Zukunft, aber das ändert nichts daran, dass ein Politiker, der sich jahrelang als Prinzipienfelsen inszenierte, nun selbst gegen die eigene Brandmauer fährt, und diese Wendung erzeugt ein Gefühl, das von Enttäuschung bis hin zu Resignation reicht, und vielleicht ist das die größte Gefahr dieser ganzen Geschichte, weil Politik ohnehin unter massivem Vertrauensverlust leidet und weil viele Menschen sowieso glauben, dass am Ende alle Politiker das Gegenteil von dem tun, was sie versprechen, und Merz liefert nun ein Beispiel, das diese Haltung bestätigt und nicht widerlegt.

Wenn er wirklich beweisen will, dass sein Kurswechsel kein opportunistischer Trick war, dann müsste er endlich offen sagen, dass seine alten Positionen falsch waren oder zumindest unvollständig und dass der Staat investieren muss, um handlungsfähig zu bleiben und dass Schulden nicht einfach moralisch böse sind, sondern Werkzeuge, die verantwortungsvoll genutzt werden können, und vielleicht müsste er sogar zugeben, dass die deutsche Fixierung auf schwarze Null und Sparpolitik in Wahrheit ein Teil des Problems war und nicht der Lösung, und erst dann könnte man über einen echten Neuanfang reden, weil nur ehrliche Politik Vertrauen zurückgewinnt und nicht der Versuch, eine Kehrtwende als logische Fortsetzung der eigenen Prinzipien zu verkaufen.


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