1. Gesamtlage der deutschen Industrie
Der EMI fällt im November 2025 auf 48,2 Punkte (Oktober: 49,6) und erreicht ein 9-Monatstief. Damit bleibt die Industrie klar im Kontraktionsbereich unter 50 Punkten.
Die Geschäftslage hat sich gegenüber dem Vormonat spürbar verschlechtert:
- Neuaufträge brechen stark ein, stärkster Rückgang seit zehn Monaten.
- Produktion wächst zwar weiter, aber nur noch minimal – niedrigste Rate seit Juli.
- Lieferzeiten verlängern sich dritten Monat in Folge.
- Preisdruck stabilisiert sich: Einkaufspreise fast unverändert nach langem Rückgang.
Die Unternehmen bleiben trotz leicht verbessertem Sentiment pessimistisch im historischen Vergleich.
2. Auftragseingang und Nachfrage
Der Rückgang der Neuaufträge ist der Hauptbelastungsfaktor.
- Stärkster Einbruch seit Januar.
- Exportaufträge sinken den vierten Monat in Folge, so stark wie nie zuvor im Jahr 2025.
- Schwache Nachfrage aus Asien, Europa und Nordamerika.
- Viele Kunden bleiben aufgrund globaler Unsicherheit zurückhaltend.
Kritische Einordnung:
Der Rückgang der globalen Nachfrage deutet auf strukturelle Schwächen des deutschen Exportmodells hin: hohe Abhängigkeit von Investitionsgütern und zyklischen Industrien. Die Erklärung des HCOB-Chefvolkswirts, wonach sich US-Unternehmen frühzeitig eingedeckt hätten, ist plausibel, aber nur ein Teilaspekt. Wichtiger scheint die anhaltende globale Industrieschwäche seit 2023 und der Wettbewerb aus Asien.
3. Produktion und Kapazitätsauslastung
Trotz der Nachfrageschwäche steigt die Produktion den neunten Monat in Folge, allerdings immer geringer.
- Die Industrie arbeitet zunehmend den Auftragsbestand ab.
- Die Bestände schrumpfen so stark wie seit Monaten nicht mehr.
- Dies signalisiert, dass das Produktionswachstum realwirtschaftlich kaum noch getragen ist.
Kritische Einordnung:
Eine Serie von Produktionssteigerungen bei gleichzeitig rückläufigen Aufträgen ist nicht nachhaltig. Der Produktionsanstieg dürfte bald enden, wie auch der HCOB-Kommentar andeutet. Ohne neue Aufträge droht ein Rückgang der Auslastung.
4. Beschäftigung und Unternehmenspolitik
Die Unternehmen setzen ihre Sparmaßnahmen fort.
- Beschäftigung sinkt weiter, seit zweieinhalb Jahren.
- Stellen werden nicht nachbesetzt, befristete Verträge enden, teilweise kommt es zu Entlassungen.
- Einkaufsmenge und Lagerbestände werden reduziert, um Cashflow zu stärken.
Kritische Einordnung:
Der Personalabbau bei zugleich steigender Produktion zeigt eine temporäre Erhöhung der Produktivität, die aber aus einer Zwangslage resultiert. Kurzfristig stärkt dies die Wettbewerbsfähigkeit, langfristig besteht das Risiko verlorener Fachkräfte und Investitionszurückhaltung.
5. Lieferketten und Einkaufspreise
Trotz schwacher Nachfrage verlängern sich die Lieferzeiten zum dritten Mal in Folge.
Ursachen laut Bericht:
- Niedrige Lagerbestände bei Zulieferern
- Engpässe u. a. bei Mikrochips
- Allerdings ist die Verlängerung weniger stark als im Oktober.
Einkaufspreise:
- Rückgang flacht ab – nahezu stabil
- Metallpreise steigen vereinzelt, aber Anbieterwettbewerb dämpft Gesamtpreisniveau
Kritische Einordnung:
Die Kombination aus schwacher Nachfrage und verlängerten Lieferzeiten ist ungewöhnlich und deutet auf strukturelle Engpässe bei einzelnen Vorprodukten hin. Dies könnte ein Frühindikator für neue Preisrisiken sein, falls die Nachfrage 2026 wieder anzieht.
6. Verkaufspreise
Hersteller senken erneut ihre Verkaufspreise, nachdem sie im Oktober kurzzeitig erhöht wurden.
Kritische Einordnung:
Die Preissenkungen zeigen die schwache Marktmacht der Industrie. Sie erhöhen kurzfristig die Wettbewerbsfähigkeit, drücken aber die Margen – ein weiterer Belastungsfaktor für Investitionsbereitschaft.
7. Ausblick
Der Ausblick hellt sich leicht auf, bleibt aber deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt.
Der Chefvolkswirt sieht mögliche Stützen ab 2026:
- expansive Fiskalpolitik, insbesondere
- Bauwirtschaft (Maschinen)
- Rüstungsgüter
- Höhere Produktivität durch Personalabbau
Kritische Einordnung:
Die Hoffnung auf fiskalpolitische Impulse 2026 ist spekulativ. Zudem wirken Rüstungs- und Bauinvestitionen nur auf Teilsegmente; die exportorientierte Breite der Industrie bleibt verwundbar. Der Verweis auf steigende Produktivität ist zwar objektiv richtig, aber es handelt sich eher um eine Statistikreaktion auf Jobabbau als um eine echte Effizienzsteigerung durch Innovation.
Kurzfazit
Die deutsche Industrie gerät im November 2025 wieder deutlich unter Druck.
Hauptprobleme sind:
- drastischer Einbruch der Neuaufträge (v. a. Export)
- schwacher globaler Industriesektor
- erodierende Lagerbestände
- Personalabbau
- Margendruck durch Preisreduktionen
Zwar läuft die Produktion noch leicht positiv, aber auf Basis schwindender Bestände. Ohne spürbaren Nachfrageschub ist eine Trendwende vor 2026 unwahrscheinlich.
Warum ist der EMI wichtig?
1. Frühindikator für die Konjunktur
Der EMI ist einer der schnellsten verfügbaren Indizes zur wirtschaftlichen Lage, da er schon in der Monatsmitte veröffentlicht wird. Regierungen, Zentralbanken und Analysten nutzen ihn, um frühzeitig Wendepunkte in der Konjunktur zu erkennen.
2. Realitätsnaher Einblick in die Industrie
Einkaufsmanager sind stark in operative Entscheidungen eingebunden (Beschaffung, Produktion, Personalplanung). Ihre Einschätzungen spiegeln Veränderungen direkt aus den Unternehmen wider – oft bevor sie in offiziellen Statistiken erscheinen.
3. Einfluss auf Finanzmärkte
Der EMI gehört zu den weltweit am meisten beachteten Wirtschaftsindikatoren. Anleger reagieren auf seine Veröffentlichung, weil er Hinweise auf:
- Industrieproduktion,
- Unternehmensgewinne,
- Beschäftigungstrends
liefert.
4. Planungsgrundlage für Unternehmen
Firmen nutzen den EMI, um:
- Produktionsmengen anzupassen,
- Lieferketten zu planen,
- Rohstoffpreise und Risiken einzuschätzen.
5. Vergleichbarkeit über Länder hinweg
Der EMI folgt international standardisierten PMI-Methoden. Dadurch lassen sich:
- Deutschland vs. Eurozone
- Deutschland vs. USA / China
- einzelne Branchen
vergleichbar beurteilen.
Kurz auf den Punkt gebracht
Der EMI ist wichtig, weil er früh, zuverlässig und international vergleichbar zeigt, wie es der deutschen Industrie geht – und damit ein zentraler Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands ist.
