1. Einleitung
Globale Aktien-ETFs sind für viele Privatanleger in Deutschland die erste Wahl. Besonders der MSCI World ETF gilt als Standardprodukt. Doch immer wieder gibt es Kritik: zu US-lastig, kein Emerging-Markets-Anteil, Währungsrisiken. Was bedeutet das für Langfristinvestoren, die einen Sparplan verfolgen?
2. Hintergrundwissen: Methodik des MSCI World
Der MSCI World Index bildet die Aktienmärkte der Industrieländer ab.
- Länderabdeckung: 23 entwickelte Märkte (ohne Schwellenländer).
- Aktienanzahl: rund 1.500 Unternehmen, die ca. 85 % der Marktkapitalisierung jedes Landes abdecken.
- Kriterien: Aufnahme nach Free-Float-Marktkapitalisierung, Liquidität und Sektorzugehörigkeit.
- Gewichtung: proportional zur Marktkapitalisierung, keine Obergrenzen pro Land oder Unternehmen.
- Überprüfung: quartalsweise kleinere, halbjährlich größere Anpassungen.
Die Folge: Schwergewichte wie Apple, Microsoft oder Nestlé sind mit großen Anteilen vertreten, während kleine Unternehmen gar nicht berücksichtigt werden.
3. Analyse: Stärken und Schwächen
Vorteile:
- Breite Diversifikation über Länder und Branchen.
- Hohe Liquidität, einfache Nachbildung in ETFs.
- Automatische Anpassung an wirtschaftliche Entwicklungen durch Rebalancing.
- Weltweit anerkannte Benchmark.
Nachteile:
- Starke USA-Dominanz (ca. 70 %).
- Keine Emerging Markets enthalten, also kein China oder Indien.
- Keine Small Caps, wodurch Innovationskraft kleinerer Unternehmen fehlt.
- Abhängigkeit von wenigen Mega-Caps.
- Rebalancing reagiert mit Verzögerung.
4. Praxis: Währungsrisiko und Indexanpassung
Da die Mehrheit der Titel in US-Dollar notiert, besteht ein erhebliches Währungsrisiko für Euro-Anleger. Ein schwacher Dollar schmälert Renditen, ein starker Dollar erhöht sie.
- Hedged ETFs sichern dieses Risiko ab, kosten jedoch mehr und neutralisieren auch positive Effekte.
- Unhedged ETFs sind günstiger und für Langfristinvestoren meist sinnvoller, da sich Währungsschwankungen über Jahrzehnte tendenziell ausgleichen.
Das Rebalancing des Index ist kein „aktives Management“, sondern eine regelgebundene Mechanik. Der Index passt sich den Marktverhältnissen an: Steigen europäische oder asiatische Märkte relativ stärker, wächst automatisch ihr Anteil – das US-Gewicht sinkt.
5. Alternativen: Andere „World“-Indizes
Es gibt zahlreiche Varianten globaler Indizes:
5.1 MSCI World (MSCI Inc.)
- Länder: ca. 23 entwickelte Märkte (keine Schwellenländer)
- Abdeckung: ca. 1.500 Large & Mid Caps (≈ 85 % der Marktkapitalisierung je Land)
- Gewichtung: Free-Float-Marktkapitalisierung
- Kritik: sehr USA-lastig, keine EM, keine Small Caps
5.2 FTSE Developed World (FTSE Russell)
- Länder: ca. 25 entwickelte Märkte
- Abdeckung: >2.000 Unternehmen (Large & Mid Caps, ähnlich wie MSCI, aber leicht breiter gefasst)
- Besonderheit: leicht andere Länderklassifikation (z. B. behandelt Südkorea als entwickelten Markt, während MSCI es bislang lange als Emerging Market führte)
- Gewichtung: Free-Float-Marktkapitalisierung
- Tendenz: etwas breiter gestreut als MSCI, Unterschiede aber meist im Detail
5.3 S&P Global 1200 (S&P Dow Jones Indices)
- Länder: ca. 30 Länder, Industriestaaten plus einige Schwellenländer
- Abdeckung: etwa 70 % der weltweiten Marktkapitalisierung mit nur 1.200 Titeln
- Besonderheit: setzt sich aus sieben regionalen Indizes zusammen (u. a. S&P 500, S&P Europe 350, S&P/TOPIX 150 für Japan)
- Fokus: stärker kuratiert, weniger Titel, aber breiter in der Länderabdeckung
5.4 STOXX Global 1800 (Qontigo/Deutsche Börse)
- Länder: 23 entwickelte Länder (Nordamerika, Europa, Asien-Pazifik)
- Abdeckung: exakt 1.800 Unternehmen (600 Large, 600 Mid, 600 Small Caps)
- Besonderheit: enthält explizit auch Small Caps, dadurch breiter als MSCI oder FTSE
- Gewichtung: Free-Float-Marktkapitalisierung
- Fokus: Balanced Ansatz zwischen großen, mittleren und kleinen Unternehmen
5.5 FTSE All-World
- Länder: ca. 50 Länder (entwickelte + Schwellenländer)
- Abdeckung: ca. 4.000 Unternehmen (Large & Mid Caps)
- Besonderheit: „All World“ = Developed + Emerging Markets, also wirklich global
- Gewichtung: Free-Float-Marktkapitalisierung
- Beliebt: als Alternative zum MSCI ACWI (All Country World Index)
5.6 MSCI ACWI (All Country World Index)
- Länder: ca. 47 Länder (23 Developed, 24 Emerging)
- Abdeckung: ca. 3.000 Aktien, Large & Mid Caps, ca. 85 % der weltweiten Marktkapitalisierung
- Besonderheit: Der umfassendste „echte“ Weltindex von MSCI, weil er Industrieländer und Schwellenländer kombiniert
6. Optionen für Anleger
Langfristinvestoren sollten nicht nach kurzfristiger Schwäche der US-Märkte hektisch umschichten. Ein Verkauf widerspricht dem Grundprinzip der Langfristanlage. Sinnvoll sind Ergänzungen:
Ich gehe von einem monatlichen Sparplan aus und schlage Varianten mit unterschiedlichen Risikoprofilen vor:
1. Klassische Basis (Status quo)
- 100 % MSCI World
→ Sehr einfach, sehr kostengünstig, passt für viele Privatanleger. US-Anteil bleibt hoch, aber durch die Indexmethodik selbstregulierend.
2. Weltportfolio „light“ – kleine Ergänzung EM
- 80 % MSCI World
- 20 % MSCI Emerging Markets
→ Damit reduzierst du den US-Anteil von ca. 70 % auf rund 55–60 %. Gleichzeitig erhältst du Zugang zu Wachstumsregionen (China, Indien, Brasilien), die im reinen MSCI World fehlen.
3. Balanced Weltportfolio – EM und Europa
- 70 % MSCI World
- 20 % MSCI Emerging Markets
- 10 % MSCI Europe
→ Zusätzlich zu den Schwellenländern wird Europa bewusst gestärkt. Das mildert die Dollar-Abhängigkeit und bringt mehr regionale Diversifizierung.
4. Alternative: ACWI statt Bausteinmodell
- 100 % MSCI ACWI oder FTSE All-World
→ Hier sind Industrieländer und Schwellenländer automatisch enthalten (ca. 88 % Developed, 12 % Emerging). Praktisch ein „All-in-One“-ETF, aber weniger flexibel steuerbar.
Praktische Empfehlung für einen Langfristinvestor:
- Bestehende MSCI-World-Anteile behalten (nicht verkaufen!).
- Für neue Sparraten überlegen, ob du Variante 2 oder 3 wählst. Damit ergänzt du dein Portfolio, ohne die Langfristlogik zu brechen.
- Wenn du maximale Einfachheit willst: den ACWI/FTSE All-World für künftige Raten nehmen, aber den alten World-ETF liegen lassen.
Kritische Einordnung:
- Mehr Diversifikation ist grundsätzlich positiv, aber man sollte nicht in einen „Aktionismus“ verfallen. Die US-Dominanz ist Ergebnis der Marktstärke, nicht eines Indexfehlers.
- Ergänzungen sind dann sinnvoll, wenn man sich subjektiv wohler fühlt und regionale Balance schätzt – nicht, weil Influencer gerade den Untergang der USA ausrufen.
- Für die meisten Anleger ist eine einfache 80/20-Lösung (World + EM) bereits ein sehr robustes, globales Portfolio.
7. Fazit
Der MSCI World ist kein perfekter Weltindex, aber ein bewährter Kernbaustein für Anleger. Seine US-Dominanz ist Ausdruck realer Marktmacht, kein methodischer Fehler. Für den Langfristinvestor gilt: nicht verkaufen, sondern bei Bedarf ergänzen. Wer zusätzliche Diversifikation will, kann Emerging Markets oder Europa beimischen oder für künftige Raten einen All-World-ETF wählen.
Das Prinzip bleibt unverändert: Disziplin, Einfachheit und Langfristigkeit schlagen hektisches Umschichten.